Im Büro von Marla Grayson hängen Fotos von Rentnern an der Wand aufgereiht wie die Trophäen eines Großwildjägers. Dabei sieht sich Grayson selbst als Raubtier. „Ich bin kein Lamm, sondern eine Löwin“ ist einer ihrer Lieblingssprüche. Ein anderer: „Fairness ist Zynismus, erfunden von reichen Leuten.“ Um selbst eines Tages zu den Reichen zu gehören, hat die Geschäftsfrau ein perfides System entwickelt. Sie sucht nach allein lebenden alten Menschen, eine befreundete Ärztin liefert eine gefälschte Demenz-Diagnose und Grayson lässt sich als gesetzlichen Vormund ihrer Opfer einsetzen. Meist ohne dass die etwas davon mitbekommen. Ist der juristische Papierkram erledigt, werden die Rentner ohne Umwege in ein Altenheim gesteckt und mit Medikamenten ruhiggestellt. Marla Grayson verkauft währenddessen das Haus, bedient sich an sämtlichen Konten und leert Bankschließfächer.
„I care a lot“ ist ein düsterer Blick ins amerikanische Altenpflege-System. Und ein Film, in dem es eine Handvoll Verbrecher, aber viel mehr Schuldige gibt. Das Geschäftsmodell funktioniert nur, weil es Gutachter gibt, die nicht genau hinschauen, Vermögensverwalter, die keine Fragen stellen, und Richter, die zwischen Tür und Angel über das Schicksal von Menschen entscheiden. Alle scheinen mehr als glücklich, jemanden gefunden zu haben, der ihnen die Arbeit mit den Alten abnimmt. Diese Rolle beherrscht Grayson perfekt: In der Öffentlichkeit gibt sie sich als moderne Heilige, als Kümmerin, die ihr Leben ihren Schäfchen verschrieben hat und wickelt vor Gericht jeden um den Finger. Kaum im Büro lässt sie sich von ihren Mitarbeitern feiern, wenn sie wieder einen „dicken Fisch“ an Land gezogen hat. So zynisch wie die Hauptfigur ist dann auch das Drehbuch. Denn die Betrugsmasche fliegt nicht etwa deswegen auf, weil sich plötzlich jemand für die zahllosen Alten interessiert, die Grayson ausnimmt – sondern weil sie sich aus Versehen mit noch kaltblütigeren Verbrechern anlegt. Ihr neuestes Opfer ist nur auf den ersten Blick eine harmlose schwerreiche Dame. In Wahrheit hat sie Kontakte zur russischen Mafia und einen Sohn, der über Leichen geht, um seine geliebte Mutter aus dem Altenheim zu kriegen.
So nimmt die Geschichte, die als eindrückliche Parabel über den Umgang mit alten Menschen begonnen hat, plötzlich eine ziemlich unerwartete Wendung in Richtung Action-Kino, inklusive spektakulärer Entführungen, dramatischer Mordanschläge und Rettung in letzter Sekunde. Dass der Film in dieser zweiten Hälfte noch funktioniert, liegt in erster Linie an der schauspielerischen Leistung von Hauptdarstellerin Rosamund Pike. Ihre Figur strahlt eine so durch und durch kapitalistische Skrupellosigkeit aus, dass sie sich, wenn es ums Geschäft geht, auch von Mafia-Schlägern nicht aus der Ruhe bringen lässt. Leider geraten bei diesem Kleinkrieg der Kriminellen die unschuldigen Alten schnell aus dem Blick. Wer nicht zufällig Teil der Russenmafia ist, bleibt ein stummes Bild an der Wand. Fast scheint es, als interessiere sich der Film selbst nicht wirklich für ihre Geschichten. Schade.