Die deutsche katholische Kirche schafft es dieser Tage regelmäßig in die „Tagesschau“. Das liegt allerdings nicht an einem bevorstehenden Katholikentag, einer besonders gelungenen Evangelisierungsoffensive oder der Ankündigung eines Papstbesuchs. Nein, es geht immer wieder um den Missbrauchsskandal und das qualvolle Gutachter-Drama im Erzbistum Köln. In dieser Woche ist Staffelfinale, die Vorstellung des zweiten Gutachtens, diesmal vom Kölner Strafrechtler Björn Gercke.
Woelki-Exegese
Die Protagonisten haben sich schon mal in Stellung gebracht, allen voran natürlich Kardinal Rainer Maria Woelki. Im Kölner „Domradio“ kündigte er am vergangenen Sonntag personelle Konsequenzen für „im Gutachten genannte Personen“ an – „wenn es nötig ist“. Und dann schob er diesen kleinen, selbstverständlichen, vieldeutigen Satz nach: „Sofern es mich betrifft, habe ich bereits erklärt, dass ich mich den Ergebnissen der Untersuchung stellen werde.“ Der aufmerksame Krisenbeobachter staunt wieder einmal frustriert. Kardinal Woelki wird sich also den Ergebnissen der Untersuchung stellen. Aber was bedeuten denn eigentlich diese wolkigen Worte?
Szenario eins: Der Kölner Erzbischof hat sich nichts zuschulden kommen lassen und weiß es. Das sagt ihm sein Gewissen. Dazu braucht er keinen Kölner Anwalt. Dann hätte man sich gewünscht, dass Woelki früher und entschiedener spricht.
Szenario zwei: Kardinal Woelki ist schuldig geworden und weiß es. Das sagt ihm sein Gewissen, aber auch seine Aufgabenbeschreibung als Oberhirte für das Erzbistum Köln und das bereits bekannte Wissen um Ausmaß und Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Dann hätte man sich gewünscht, dass Woelki früher und entschiedener handelt.
„Mehr“ als Gutachten
Was für den Kölner Erzbischof gilt, trifft natürlich im selben Maße auch auf die aktuellen und früheren Leitungspersonen im Kölner Erzbistum zu, etwa den ehemaligen Generalvikar Stefan Heße. Dass ein juristisches Dokument nun eine solche Bedeutung für die Zukunft der Kirche bekommt und nicht Anspruch, Worte und Handeln ihrer obersten Repräsentanten, wird den Vertrauensverlust weiter verstärken. Denn „wer Jesus in besonderer Nachfolge sakramental repräsentiert, nimmt ein ‚Mehr‘ auf sich. Mehr Dienst an den Menschen. Mehr moralischen Anspruch an sich selbst. Dazu braucht es starke und reife Persönlichkeiten ohne Hybris“, sagte vor zwei Jahren ein deutscher Bischof. Sein Name: Rainer Maria Woelki.