Dass sich die Jüngerschaft Jesu nach dem Schock der brutalen Kreuzigung dann doch zum Bekenntnis genötigt sah, der Gott ihres jüdischen Glaubens habe Jesus von den Toten auferweckt, ist ein erstaunliches Faktum. Alle frühen Jesus-Texte beziehen sich auf dieses Datum, die zahlreichen biblischen und auch die wenigen außerbiblischen. Hans Kessler zeigt das kenntnisreich und schnörkellos, im Detail und im Zusammenhang. Diese eigentümliche „Osterkehre“ bleibt die heimliche Unruhe in der Mitte des Christlichen – und auch in dieser glänzenden Erschließung.
Glauben, ganz vernünftig
Zusammen mit der historisch-genealogischen Interpretation der Ursprünge ist es natürlich deren heutiges Verständnis, das die fünf Kapitel leitet. Dabei ist das Fragezeichen des Titels ernst gemeint: Der emeritierte Frankfurter Dogmatiker Hans Kessler predigt nicht, er informiert fakten- und facettenreich, er deutet mit Argumenten und übersetzt präzise – mit hermeneutischer Klarheit und stets im Gespräch mit Philosophie und Naturwissenschaft. Man muss zum Beispiel nur die wenigen Seiten zur Gottes-Thematik lesen, um das argumentative Niveau und die klare Sprache dankbar zu würdigen.
Natürlich werden auch gängige Missverständnisse und Vorurteile mit guten Gründen abgearbeitet. Als sei mit Auferstehung etwa die bruchlose Verlängerung dieses Lebens gemeint oder gar die zombiehafte Wiederkehr eines Verstorbenen. Aber auch die rationalistische Selbstsicherheit, die mit dem Osterglauben längst fertig ist, wird kreativ beunruhigt. Jedenfalls ist am Ende eines klar und auch praktisch höchst folgenreich: Die Sache mit der Auferstehung Jesu ist nicht unvernünftig, sie gibt zu denken und macht zu schaffen.
Ostern ist unruhig
Kurzum: Was die differenzierende Dichte der Information, die Genauigkeit und Offenheit der Argumentation und die sprachliche Verständlichkeit angeht, sucht das Buch seinesgleichen. Jahrzehntelange Forschung zum Thema im Hintergrund (270 weiterführende Anmerkungen sind aufgeführt!), ist dieses Buch ein meisterliches Alterswerk Hans Kesslers – und ein Muss für alle, die nicht dem Aberglauben erliegen wollen, der christliche Auferstehungsglaube habe mit genauem Denken nichts zu tun. Das Gegenteil ist hier der Fall.