DebatteDarf man homosexuelle Paare segnen?

Seit der Vatikan in seinem responsum ad dubium die Segnung homosexueller Paare verboten hat, tobt ein Streit in der katholischen Kirche. Oft wird sehr emotional argumentiert. Doch welche theologischen Standpunkte gibt es? Wir haben bei vier Fachrichtungen nachgefragt.

Die Moraltheologie

 Ja: Prof. Dr. Angelika Walser

Überraschend war es nicht, enttäuschend und ärgerlich schon: Das responsum der Kongregation für die Glaubenslehre bekräftigt, dass Rom seinen Segen für homosexuelle Partnerschaften nicht geben kann. Der zentrale Normsatz katholischer Sexualmoral bleibt damit unangetastet: Geschlechtsverkehr ist letztlich nur innerhalb der Ehe ethisch einwandfrei, und diese Ehe hat in einem heteronormativen Rahmen stattzufinden. Alles andere ist im Plan Gottes, der dem römischen Lehramt offensichtlich in seiner gesamten Fülle vorliegt, nicht vorgesehen.

Einem derart luftdicht abgeschlossenen Denksystem ist weder die empirische Realität zugänglich, in der sich homosexuelle Paare Kinder wünschen und homosexuelle Familien treusorgend Nachkommenschaft aufziehen, noch die Vorstellung, dass es eine wechselseitige personale Ergänzung, Unterstützung, Treue und Liebe jenseits des hetero- normativen Rahmens geben könnte. Was Theologen und Theologinnen seit Jahrhunderten (!) über den Menschen als Geschöpf der Freiheit und Verantwortung sowie über die Auslegung einschlägiger Bibelstellen und über Segnungen lehren, was Humanwissenschaften über die Bedeutung von Sexualität insgesamt sagen, all dies wird nach wie vor beharrlich ignoriert. Neben der Tatsache, dass Angehörigen der LGTBQ-Community wieder einmal unter dem Vorzeichen einer angeblich gerechten Diskriminierung bescheinigt wurde, im Plan Gottes offensichtlich nicht vorgesehen zu sein, und dass hier erneut ein positiver und gerechtigkeitsethisch inspirierter Zugang zur Anerkennung sexueller Selbstbestimmung fehlt, ist die Ignoranz wissenschaftlicher Forschung und Lehre und die damit einhergehende Doppelzüngigkeit in Pastoral und Lehre nur mehr schwer erträglich.

Prof. Dr. Angelika Walser lehrt an der Universität Salzburg.

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Nein: Prof. Dr. Josef Spindelböck

Als die Kongregation für die Glaubenslehre erklärte, die Kirche besitze nicht die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen, wurde dies als Brüskierung und Diskriminierung betroffener Paare empfunden. Warum aber kommt das Lehramt der Kirche zu einem derartigen Urteil? Gleichgeschlechtlich empfindende Menschen besitzen dieselbe Würde wie heterosexuell orientierte Personen. Sie sind so wie andere auf der Suche nach Freundschaft, Angenommensein, Hingabe und Liebe. Nimmt man das Menschsein in seiner leiblichen Verfasstheit ernst, dann ist die Polarität des Mann- und Frau-seins nicht hintergehbar. Es bedeutet mehr als bloße Biologie, dass der männliche und der weibliche Körper perfekt zueinander passen und in der Sprache dieses Leibes sich die innigste Vereinigung von Personen in Liebe wie auch deren fruchtbare Offenheit auf die Weitergabe des menschlichen Lebens ausdrücken können.

Gemäß der kirchlichen Lehre sind sexuelle Akte außerhalb der Ehe objektiv schwer sündhaft. Gleichgeschlechtliche Empfindungen werden zwar als objektiv ungeordnete Neigungen angesehen; sie sind jedoch nicht sündhaft. Nichts rechtfertigt es, den Betroffenen abwertend gegenüberzutreten. Segnungen einzelner Personen sind gemäß der Intention der Kirche gut und empfehlenswert. Sie stellen eine Hilfe dar, dem Willen Gottes im Leben vollkommener zu entsprechen. Die Kirche kann jedoch Verbindungen nicht segnen, die eine Rechtfertigung sexueller Akte außerhalb der Ehe beinhalten. Keusch zu leben ist eine Zumutung. Wenn die Kirche dafür nicht mehr eintritt, wer wird die Christen dann noch als jenes „Salz“ wahrnehmen und schätzen, von dem Jesus im Gleichnis spricht?

Prof. Dr. Josef Spindelböck lehrt an der Katholischen Hochschule in Trumau.

 

Die Dogmatik

Ja: Dr. Christoph Kohl

Ich habe ein homosexuelles Paar gesegnet. Thomas und Klaus leben seit über 20 Jahren treu und verbindlich zusammen. Das haben sie schon lange durch die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ besiegelt, und sobald es möglich war, haben sie standesamtlich geheiratet. Und dabei habe ich ihnen einen Segen gespendet. Das war für mich seelsorglich notwendig und auch theologisch geboten. Denn der Lebensentwurf der beiden ist deutlich christlich geprägt. Und ihr Zusammenleben spiegelt für mich wider, dass es sich bei ihnen um echte, reife Liebe handelt. Sie sind selbstlos füreinander und für andere da. Ein Beispiel: Als Klaus schwerer krank wurde, hat Thomas selbstverständlich auf den gerade anstehenden, für ihn wichtigen Karrieresprung verzichtet, um seinem Partner beistehen zu können.

„Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit“ – diese geistliche Erfahrung und Überzeugung geht auf den heiligen Ignatius von Loyola zurück. Offensichtlich ist Gott als Quelle aller Liebe am Werk und zeigt sich auch in der Liebe von homosexuellen Paaren. Offensichtlich hat Gott Thomas und Klaus dazu befähigt, in Fürsorge und Hingabe füreinander und für andere da zu sein. Wenn das so ist, dann ist ihr Zusammenleben, ihre Liebe transparent auf die Liebe Gottes hin. Wenn hierin also Gottes Wirken zu erkennen, zu identifizieren ist, dann ist es nur folgerichtig, ja um Gottes und der von ihm Geliebten willen notwendig, einen Segen zu spenden. Denn der drückt ja aus und sagt zu, dass Gott den beiden nahe ist und beisteht, indem er sie weiterhin mit seinem Geist und seiner Liebe erfüllt. Wenn Gottes Liebe bedingungslos und ohne Grenzen ist, dann gilt sie doch selbstverständlich auch einem homosexuellen Paar. Ohne den Segen würde hier das Wirken Gottes missachtet und verdunkelt.

Dr. Christoph Kohl, promovierter Dogmatiker, ist Domdekan in Speyer.

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Nein: Prof. Dr. Helmut Hoping

Die Entscheidung der Kongregation für die Glaubenslehre beruht auf dem Apostolischen Schreiben Amoris laetitia, in dem Papst Franziskus erklärt, es gebe „keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn“. Anders als Einzelsegnungen homosexueller Personen, die möglich sind, werden Segnungen gleichgeschlechtlicher Verbindungen mit ausdrücklicher Billigung von Franziskus untersagt, weil sie eine Analogie zum Trauungssegen bei der kirchlichen Eheschließung darstellen.

Mit der Entscheidung der Kongregation ist kein negatives Urteil über homosexuelle Personen verbunden, die – so der Katechismus der Katholischen Kirche – „ihre Veranlagung nicht selbst gewählt“ haben; es wird davor gewarnt, sie „ungerecht zurückzusetzen“. Homosexuellen Personen ist mit Toleranz, Achtung und Respekt zu begegnen. Diskriminierung im Sinne von Herabsetzung wird von der katholischen Kirche verurteilt. Sie hält allerdings am wesentlichen „Unterschied“ (discrimen) zwischen der Ehe und gleichgeschlechtlichen Verbindungen fest (das Wort „Diskriminierung“ leitet sich von discriminare, unterscheiden, ab und hatte bis ins 20. Jahrhundert die Bedeutung von „Distinktion“). Dass Personen des gleichen Geschlechts, die zusammenleben, füreinander einstehen, gehört zu den positiven Elementen ihrer Verbindung, von denen die Glaubenskongregation anerkennend spricht. Solche positiven Elemente sind allerdings nicht spezifisch für Verbindungen von Personen des gleichen Geschlechts, es gibt sie auch in anderen nichtehelichen Lebensgemeinschaften, unabhängig davon, ob diese eine sexuelle Beziehung einschließen oder nicht.

Prof. Dr. Helmut Hoping lehrt an der Universität Freiburg.

 

Die Pastoraltheologie

Ja: Prof. Dr. Katharina Karl

Gleichgeschlechtliche Paare gehören aktuell nicht zu den Übersehenen oder Vergessenen der Pastoral, sondern sind in der kirchlichen Debatte mehr als präsent. Aber ihnen bleiben – ebenso wie den wiederverheiratet Geschiedenen – entscheidende Formen der Teilhabe am kirchlichen Leben verwehrt. Nun gilt die Sendung der Kirche allen Menschen in ihren Sorgen und Freuden, ihrer Trauer und Hoffnung, und nichts Menschliches ist dabei fremd. Ausgehend von meinem Ansatz einer „Pastoral der compassio“, der „Mit-leidenschaft“ (J. B. Metz), hat Pastoral die Aufgabe, für alle Menschen in ihren existentiellen und spirituellen Anliegen da zu sein und sie zu stärken. Dabei bleibt es jedoch nicht bei einer einseitigen Beziehung im Sinne der Zuwendung, vielmehr legt Mitleidenschaft den Fokus auf das Miteinander als Subjekte des Kircheseins.

Wenn Menschen um einen Segen bitten, tun sie dies mit dem Anliegen, sich die Nähe Gottes zusprechen zu lassen und ihrem Glauben Ausdruck zu verleihen, dass Gott in ihrem Leben da ist. Auch wenn die kirchliche Lehre noch zu keiner Anerkennung der Vielfalt von Lebensformen gefunden hat, kann ihnen in der Pastoral konstruktiv begegnet werden. Der Segen nimmt menschliche Anliegen und Situationen in die Wirklichkeit Gottes hinein.

Die Kirche braucht alle Menschen, die sich ihr zugehörig fühlen mit ihren Charismen und Gaben. Nicht zuletzt, weil homosexuelle Paare ein Beitrag zu einer lebendigen, vielfältigen Kirche sein können, halte ich es für angemessen, über die Möglichkeit, sie zu segnen, weiter nachzudenken. Dabei geht es nicht darum, theologische Gräben zu vertiefen, sondern zum Austausch anzuregen. Die Debatte über diese Frage halte ich für dringend notwendig, um den Kern der christlichen Sendung neu zu erschließen.

Prof. Dr. Katharina Karl lehrt an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt.

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Nein: Prof. Dr. Andreas Wollbold

Das an Vorurteilen übersäte Feld der Pastoral mit Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen hat auch ein besonders hartnäckiges Apriori hervorgebracht. Danach seien nur bedingungslose Akzeptanz, Segnung und der Verzicht auf die Orientierung am Leitbild der Ehe von Mann und Frau gut für die Betroffenen. Grenzziehungen entsprechend der katholischen Lehre seien gegen sie gerichtet.

Wer nur ein wenig Erfahrung in Seelsorge besitzt, wird jedoch das Gegenteil berichten können. Ernsthafte seelsorgliche Zuwendung gibt es nur mit einem starken Gegenüber. Darin ist alles von einer tiefen Akzeptanz der Person (nicht aber ihres Verhaltens) getragen. Nur so hilft Seelsorge zu Selbstdistanz und Wachstum. Agiert ein Seelsorger dagegen bloß als Gut-Sager (das bene-dicere des Segnens!), verstärkt er die Neigung von sexuellem Begehren, Verlangen und Besitzen, alles andere zu vergessen und sich so gerade nicht auf das Größere, Umfassendere hin zu öffnen. Das ist auch der Grund, warum die Kirche die Keuschheit als wesentliche Voraussetzung einer wirklichen Gottesbeziehung erkannt hat. Überflüssig zu sagen, dass alle Menschen in gleich welcher Beziehungsform ein solches Gegenüber brauchen.

Das Nein zur Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird so zur Chance. Betroffene, die häufig durch Phasen der Verunsicherung gehen, werden in ihren Umfeldern kaum mehr ein Gegenüber finden, das ihnen wirklich hilft, sich vor Gott und seinem Willen zu finden. Sollte nicht genau das die Aufgabe von Kirche und Seelsorge sein?

Prof. Dr. Andreas Wollbold lehrt an der LMU München.

Zwei weitere Beiträge aus der Exegese finden Sie hier.

 

 

 

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