Leben im Sterben – das ist das Motto der diesjährigen „Woche für das Leben“. Damit soll etwa an die Schwerkranken erinnert werden, die auf Intensivstationen und in Palliativeinrichtungen mit dem Tod ringen. Aber ist so eine Erinnerung nach einem Jahr Corona nötig? Immerhin starren wir alle seit Monaten gebannt auf die Entwicklung von Todeszahlen, ständig wird vorgerechnet, wie lange die Krankenbetten und Atemgeräte noch reichen.
Doch der kurze Blick auf kalte Zahlen reicht nicht aus. Denn kaum ist das Nachrichtenprogramm abgespult, zeigt das Fernsehen ein ganz anderes Bild vom Tod. In Krimis treiben Serienmörder ihr Unwesen, in Action-Filmen gehen die Helden über Leichen. „Da wird der Tod jeden Tag als Unterhaltungsware präsentiert“, sagt Karl-Josef Kuschel, Professor für Theologie der Kultur an der Universität Tübingen. „Wir haben durch Massenmedien-Konsum eine Unempfindlichkeit entwickelt gegenüber dem Sterben und dem Tod. Wir genehmigen uns das als Feierabendware.“
Was man nicht sieht
Diese Übersättigung macht sich nicht nur im Umgang mit Sterbenden bemerkbar, sondern auch im alltäglichen Miteinander. „Solange unsere Kulturprodukte massenweise darin bestehen, den Tod als Unterhaltungsware zu servieren, traue ich dieser Gesellschaft überhaupt keine Empathie zu“, so Kuschels vernichtendes Urteil.
Ganz so düster muss man es wohl nicht sehen – auch wer gern Krimis oder Horrorfilme sieht, kann zwischen Fiktion und Realität unterscheiden. Und trotzdem ist etwas dran an dem Vorwurf, dass das Fernsehen es sich oft eher leicht macht mit dem Sterben. „Was Verlust, Tod wirklich bedeutet, sieht man da nicht“, kritisiert Kuschel. Und er hat einen Vorschlag, um das zu ändern: „Wenn man Sterbevorgänge filmisch dokumentieren würde – was es also heißt, auf einer Intensivstation heute an Covid-19 trotz Lungenmaschinen buchstäblich zu ersticken –, dann entsteht vielleicht eine Betroffenheit.“
ProSieben macht es vor
Filmen in Krankenhäusern und auf Intensivsationen? Das mag makaber klingen. Doch erst vor kurzem hat der Privatsender ProSieben mit einer ganz ähnlichen Aktion für Aufsehen gesorgt. Sieben Stunden lang zeigte der Sender den Arbeitsalltag einer Krankenpflegerin – die volle Dauer einer Schicht. Ganz ohne dramatische Musik und schnelle Schnitte wurde hier gezeigt, wie das Leben von Kranken, Bedürftigen und Sterbenden aussehen kann. An einem solchen menschlichen Blick auf die Realität in Ausnahmesituationen können sich die öffentlich-rechtlichen Sender gern ein Beispiel nehmen, statt zum x-ten Mal einen blutigen „Tatort“ zu wiederholen. Ein realistischer, mitfühlender Umgang mit Tod und Sterben gehört ins Hauptprogramm. Nicht nur in der „Woche für das Leben“.