500 Jahre Reichstag zu WormsUnser Luther-Moment?

Es lag nicht nur an Corona, dass das Gedenken an Luthers legendären Auftritt vor Karl V. ziemlich unterging. Die ökumenische Bewegung braucht neue Impulse. Sie können nur von unten kommen.

© © epd/Peter Endig

Solche Geschichten lieben wir: Der „kleine Mönch“, der sich mutig gegen Kaiser und Papst stellt, ihrer geballten Macht trotzt und treu bei seiner Überzeugung bleibt. „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“ Ein halbes Jahrtausend ist dieser ikonische Augenblick her. Martin Luther, bereits mit dem Bann belegt und im Januar 1521 exkommuniziert, bekommt im April auf dem Wormser Reichstag eine letzte Gelegenheit, seine Thesen zu widerrufen. Doch er bleibt seinem Gewissen treu. In der Folge verliert er alle Rechte, wird „vogelfrei“. Die Reformation nimmt ihren Lauf.

Das stilisierte Bekenntnis

Tatsächlich war es wohl nicht ganz so spektakulär. Darauf hat zuletzt der Göttinger Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann hingewiesen. Schon das Reformationsgedenken 2017 hatte er mit kritischen Einwürfen geerdet: Was da im Rückblick nicht alles reinprojiziert werde! Nicht anders verhält es sich laut Kaufmann beim dramatischen Bekenntnis von Worms. In seiner ersten Erinnerung habe Luther das Treffen denkbar kurz geschildert. „Sind die Bücher dein? Ja. Willtu sie widerrufen oder nicht? Nein. So heb dich!“ Luther selbst und dann erst recht die protestantische Geschichtsschreibung hätten den knappen Disput nach und nach zum Event verklärt, so Kaufmann unlängst in der „Frankfurter Allgemeinen“. Ja, mehr noch: Die stilisierte Szene von Worms gilt heute ganz allgemein als Inbegriff von Zivilcourage, Gewissensfreiheit und dem Einstehen für die eigene Überzeugung.

Unser Weg aufeinander zu

Dass das Ganze ein wenig von Pathos und Pomp bereinigt wird, muss kein Fehler sein. So passt es besser zur Situation der Ökumene heute, die ja doch eher weniger Gipfelerlebnisse hat, sondern sich durch die Ebene müht. Theologisch bestens begründete Vorstöße wie der des Ökumenischen Arbeitskreises zu einer Eucharistiegemeinschaft wurden zuletzt aus dem Vatikan brüsk zurückgewiesen. Vielleicht kann die Einheit der Christen derzeit ja vor allem vor Ort wachsen – in kleinen, zunächst unspektakulären Schritten aufeinander zu, unterhalb des Radars der Kirchenleitungen.

Aber ganz dürfen wir uns die „Luther-Momente“ auch nicht kleinreden lassen. Denn selbst wenn sie nicht bis ins Letzte historisch sind, spornen sie uns an, können sie uns Mut geben für die Reformdebatten unserer Zeit. Wo ist unsere Standhaftigkeit und, ja, auch unser Widerstand gefordert? Das ist vielleicht die wichtigste Frage von „Worms 1521“. r

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