Auch die lauteste Sehnsucht des Menschen nach dem unendlichen Gott könnte von sich aus den Unnahbaren nur von Ferne umkreisen. Dass wir mehr können, dass wir vor Sein Antlitz kommen, dass es uns – Inhalt des ewigen Lebens – gelingen kann, Ihn zu schauen und Seiner innersten Liebe teilhaft zu werden, das ist die Tat Seiner Liebe... Das ist nur möglich, weil Er zu uns gekommen ist, weil die Unbegreiflichkeit Seiner Liebe geschehen ist...
Nicht wir steigen auf zu Ihm, sondern Er stieg ab zu uns. Weil Er uns fand, können wir Ihn suchen mit unserer Liebe...
Darum aber lieben wir Ihn nur dann, wenn wir nicht vergessen, dass unsere Liebe Seine Liebe ist, die damals unsere wurde, als der Speer des hassenden Menschen das Herz Gottes durchbohrte, auf dass es ausrann in die gottleere Welt. Darum kann eigentlich das Gebet unserer Liebe immer nur sein: Du liebst mich, und die zitternde Bitte: Gib, dass ich mich von Dir lieben lasse. Denn auch das ist nochmals Deine Gabe.
Karl Rahner in: „Von der Not und dem Segen des Gebetes“ (Verlag Herder, Freiburg, Neuaugabe 2021)