Segen für alle?
Zu verschiedenen Beiträgen zu dem verweigerten Segen für homosexuelle Paare (zuletzt in CIG Nr. 16, S. 6) möchte ich fragen: Hat man in der Glaubenskongregation bei den vielen Feuern, die überall in unserer Kirche und in den Seelen brennen, nichts Wichtigeres zu tun? Auf welch fremdem Stern leben denn die Verantwortlichen? Allein der Begriff „Segnung“ müsste sie nachdenklich machen: bene-dictio bedeutet „Gutheißung, Gutsagung“. Welcher Mensch kann es wagen, andere aus der großen Gutsagung des Schöpfers auszunehmen? Soll ein Priester jetzt etwa vor der Abschluss-Gutsagung in der Eucharistiefeier verkünden, dass alle homosexuellen Paare – sollte es sie überhaupt noch im Gottesdienst geben – die Kirche jetzt verlassen müssen? Wie absurd! Was für ein Eigentor für unsere Kirche!
Pfarrer Norbert Stryczek, Dresden
Ich frage mich, wie lange sich Christen noch gefallen lassen, von einer uneinsichtigen Kurie in Rom geführt zu werden. Eine Reformation ist dringend geboten. Sie kann, das zeigt die Geschichte, nur von unten kommen.
Manfred Mursch, Schlier
Das „Nein“ aus Rom macht mich nicht nur traurig, sondern wütend. Menschen abzuweisen, die einander lieben und um den Segen Gottes bitten, das geht gar nicht! Wer so entscheidet, hat vergessen – oder nie entdeckt –, dass Jesus für alle Menschen seine Liebe gewollt hat. Mindestens genauso ärgert mich, dass ich selbst vielen kirchlichen Bestimmungen und Behauptungen „auf den Leim“ gegangen bin. Jetzt erst (mit 80 Jahren) hat sich der schon lange gefühlte Knoten gelöst, und in der Mitte der Verknotung entdecke ich einen eingesperrten, traurigen Jesus, der sich nach Freiheit sehnt.
Hildegard Mühlenbeck, Klein-Winternheim
Die Gegenüberstellung der Einschätzungen verschiedener theologischer Disziplinen habe ich mit Interesse gelesen. Es ist für mich nicht überraschend, dass die Gegner einer Segnung recht formal und gekünstelt daherkommen. Ja mehr noch: Rhetorisch gekonnt verkaufen sie ihre Ohrfeige für die Betroffenen als fürsorgliche Streicheleinheit.
Dr. Karl Gather, Bad Bramstedt
Mir fällt auf, dass in zwei Beiträgen mit dem Begriff der Keuschheit argumentiert wird, um das „Nein“ zur Segnung zu bekräftigen. Für eine Entgegnung könnte es hilfreich sein, der Herkunft des Wortes „keusch“ nachzugehen. Im Mittelhochdeutschen heißt es „kiusch“ und bedeutet rein, schamhaft, sanftmütig, vernünftig. Das Wort geht auf das lateinische conscius zurück. Das heißt in etwa bewusst, mitwissend. Demnach meint „keusch“, einem anderen Menschen vollbewusst als ganzer Person zu begegnen. Das heißt: Ich sehe nicht nur eine Qualität, die er/sie mitbringt, die mir nützt, auf die ich spekuliere. Sondern ich behandle den anderen/die andere als ganzen Menschen, nütze ihn nicht aus, verzwecke ihn nicht. Nach diesem Verständnis gibt es keusches und unkeusches Verhalten in und außerhalb der Ehe. Deshalb halte ich es für eine unhaltbare Behauptung, gleichgeschlechtlichen Partnern wie auch geschiedenen Wiederverheirateten von vorneherein und pauschal ein keusches Leben abzusprechen.
Hans Lindenberger, München
Wieder einmal wird der Kirche vorgehalten, stockkonservativ zu sein. Ich aber bin der Glaubenskongregation für ihre deutliche Stellungnahme dankbar. Wer das als homophob bezeichnet, stempelt Andersdenkende ab.
Dr. Maria Macht, Weiden
Gott hat den Menschen in der Doppelgestalt von Mann und Frau erschaffen. Die sakramentale Ehe ist auch das Bild des Bundes von Schöpfer und Schöpfung, Christus und Kirche. Ein Urbild der homosexuellen Beziehung gibt es nicht. Das müsste es aber geben, wenn es Gottes Wille wäre.
Dr. Klaus W. Hälbig, Rottenburg
So sehr ich die Diskussion dieses Anliegens für notwendig halte, so sehr frage ich mich, inwiefern es „Betroffene“ überhaupt noch interessiert. Ehrlich: Es sind wenige schwule oder lesbische Paare, die wir kirchlich segnen. Es ist ähnlich wie bei den sogenannten wiederverheiratet Geschiedenen. Segensfeiern für sie wurden immer wieder eingefordert, theologisch stichhaltig begründet. Der Reflex der Kirchenleitung war weitgehend eindeutig: Das gehe nicht, damit es keine Verwechslung mit dem Ehesakrament gibt. Und so fragen wenige Menschen in zweiter Ehe nach unserem Segen. Sie leben ihr Glück, und viele von ihnen wissen sich von Gott gesegnet. Ich meine: Segnen wir, wenn wir darum gebeten werden, hängen wir Regenbogenfahnen an unseren Kirchen auf und geben damit ein Statement ab für eine Kirche, die die Vielfalt menschlichen Lebens und Zusammenlebens sieht und schätzt. Tun wir’s einfach!
Pfarrer Michael Schweiger, Freiburg
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