Wie sich Stimmungen wandeln! Vor ein paar Wochen warem wir alle noch „mütend“. Die Wortschöpfung aus „wütend“ und „müde“ beschrieb in der Tat ziemlich gut einen weit verbreiteten Gemütszustand nach einem Jahr Pandemie ohne wirkliche Aussicht auf Besserung (vgl. CIG Nr. 13, S. 4). Inzwischen ist es wieder anders. Die Hoffnung ist zurück. Oder vielleicht genauer: Die Sehnsucht nach einem Neubeginn.
Dieser Tage, am Ende der Ära Merkel, sei der Wunsch nach Erneuerung „zunehmend spürbar“, hieß es gerade eben in der „Frankfurter Allgemeinen“. Die Wahrnehmung gilt nicht nur politisch. Je deutlicher das Licht am Ende des Corona-Tunnels wird, desto mehr häufen sich insgesamt die Stimmen, die nicht einfach zur alten Normalität zurückkehren wollen. Die Seuche einfach abhaken und so weitermachen wie bisher? Das wäre wirklich zu wenig.
Wer sich auf die Suche nach Hoffnungszeichen und neuen Aufbrüchen macht, kann sie durchaus finden. Trotz des vatikanischen „Nein“ zur Segnung homosexueller Paare wehen etwa Regenbogen-Flaggen von vielen Kirchtürmen. Und obwohl es das katholische Kirchenrecht verbietet, werden am Junia-Tag vielerors Frauen in Eucharistiefeiern predigen. All das gilt es wahrzunehmen – gegen die letzten Reste des „Mütend“-Seins. „Siehe, ich mache etwas Neues, schon ist es zu erkennen. Siehst du es denn nicht…?“ (Jes 43,19).
Nicht zuletzt manifestiert sich die Freude am Neuen in der aktuellen Sichtbarkeit junger Menschen. Mit der 25-jährigen Anna-Nicole Heinrich wählte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland soeben die jüngste Präses aller Zeiten an die Spitze. „Ich möchte eine offene, missionale Kirche repräsentieren, die sich hoffentlich nicht zu stark leiten lässt von politischen Positionierungen, jedoch immer wieder Bezug auf gesellschaftliche Themen nimmt“, erklärte Heinrich nach ihrer Wahl. Ein anderes junges Gesicht ist die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die mit ihrem Redetalent die Klimaschutzbewegung nach vorne bringt. Sie hat ihr politisches Bewusstsein übrigens wesentlich in der kirchlichen Jugendarbeit entwickelt. Bis heute sagt sie: „Das Potenzial, den gelebten christlichen Glauben als Gegenentwurf zu all den angewöhnten imaginativen Grenzen zu verstehen, ist gigantisch.“
Der übliche Reflex von uns nicht mehr ganz so Jungen ist leider allzu oft, sich angegriffen zu fühlen und alles Neue als „läppisch“ abzutun. Der übliche, ewige Generationenkonflikt also. Aber vielleicht wagen wir ja auch mal etwas anderes als „mütend“!