Es ist eine Abstimmung mit den Füßen. Lange stand die katholische Kirche dem Hamburger Modell eines übergreifenden „Religionsunterrichts für alle“ skeptisch gegenüber. Doch weil eine große Mehrheit der katholischen Eltern ihre Kinder in dem gemeinsamen Unterricht anmeldet, nimmt der Widerstand ab. Inzwischen laufen Gespräche, um sich an dem Modell mit eigenen Lehrkräften zu beteiligen.
Begegnung statt Separation
Die Idee hinter dem „Religionsunterricht für alle“ ist simpel: Statt sich nach Konfessionen und Religionen aufzuteilen, sitzen alle Kinder im gleichen Unterricht. Sie lernen voneinander, kommen ins Gespräch, entdecken Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Seit gut einem Jahr gestalten die evangelische Kirche, drei islamische Verbände und eine jüdische Gemeinde den Unterricht gemeinsam.
Dabei wird darauf geachtet, dass sich religionsübergreifende Unterrichtseinheiten abwechseln mit Phasen, in denen das Bekenntnis im Vordergrund steht. Die Lehrerinnen und Lehrer stehen zu ihren religiösen Überzeugungen, stellen aber auch andere Glaubensinhalte authentisch dar. Und das Konzept scheint aufzugehen. Das Fach verzeichnet die deutschlandweit geringste Quote bei den Abmeldungen vom Religionsunterricht. „Es ist besser, Austausch und Begegnung zu organisieren als Separation“, erklärt Ties Rabe, Hamburger Schulsenator und selbst ehemaliger Religionslehrer, in der „Zeit“.
Gemeinsam Zukunft gestalten
Tatsächlich hat das Konzept einen gewissen Charme. Kinder bleiben oft genug unter ihresgleichen, wenn sie ihren Glauben kennenlernen: zuhause im Kreis der Familie oder nachmittags in Firmvorbereitung, Koranschule oder Tora-Unterricht. Da kann es nicht schaden, in der Schule die Unterteilung aufzubrechen. So wie im Politikunterricht Kinder aus konservativen Familien, junge Liberale und rebellische Punks nebeneinandersitzen, diskutieren und zusammen über eine Zukunft nachdenken, in der sich alle zuhause fühlen, könnte auch der gemeinsame Religionsunterricht helfen, Vorurteile abzubauen und ins Gespräch zu kommen.
Nur einen Schönheitsfehler hat das Hamburger Modell noch. Denn während sichergestellt wird, dass auch kleine religiöse Strömungen ihren Platz finden, bleibt die große Gruppe der Konfessionslosen außen vor. Das ist eine vertane Chance. Denn die Welt, in der sich die Schulkinder von heute zurechtfinden müssen, ist nicht nur von Glaubensvielfalt, sondern vor allem von wachsender Religionsferne geprägt. Umso wichtiger, dass man nicht nur denen zuhört, die etwas anderes glauben, sondern auch denen, die vermeintlich gar nichts mehr glauben. Wo könnte man besser damit anfangen als in der Schule?