Wenn man morgens zur Arbeit oder ins Büro kommt, hat man eine gewisse Vorstellung von dem Tag, der vor einem liegt. Man hat sich bestimmte Aufgaben vorgenommen, Termine, Meetings stehen an… Aber wenn das Büro „Redaktion“ heißt, gibt es eben oft auch das Unerwartete, das Überraschende. Journalisten haben von Berufs wegen viel mit dem zu tun, was sich tagesaktuell – à jour – ereignet.
Am Freitag vergangener Woche war wieder so ein besonderes Datum. Der Tag zwischen Fronleichnam und Wochenende ist normalerweise eher entspannt. Viele Kollegen „machen die Brücke“, nehmen frei. Wer trotzdem in die Redaktion geht, hat die Hoffnung, in Ruhe etwas wegschaffen zu können. Doch am letzten Freitag war es anders. Erst kamen Mails, persönliche Nachrichten, dann die ersten Eil-Meldungen… Der Münchener Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Schnell überfliegt man das nun veröffentlichte Schreiben und begreift: Das ist ein Dokument für die Geschichtsbücher!
Längst wird der Brief kleingeredet – aus den unterschiedlichsten Interessen. Und auch die mediale Karawane ist weitergezogen. Doch wenn es dabei bliebe, würde Entscheidendes verlorengehen. Deshalb setzt der CHRIST IN DER GEGENWART einen anderen Schwerpunkt: Wir analysieren das Schreiben ausführlich, bevor wir an das Nächste und Übernächste denken.
Zentral ist für uns – wie auch sonst – die geistliche Dimension. Bestimmte Kreise unterstellen Marx bereits ein rein strategisches Vorgehen, sogar die bewusste Planung des nächsten Karriereschritts, zumindest die Absicht, den Synodalen Weg voranzubringen. Doch in diesem Fall pflichten wir mal dem „Spiegel“ bei, der ja nicht im Verdacht steht, besonders kirchenfreundlich zu sein. Dort heißt es: „Ob Marx eine Dynamik auslöst, ob diese Dynamik in seinem Sinne ausfallen wird, ist noch nicht abzusehen. Schon strategisch wäre der Plan schwierig, falls ein solcher überhaupt dahintersteht: Wie soll ein Rückzug eines Reformers die Beharrungskräfte zum Einlenken oder ebenfalls zum Rückzug bewegen?“
Von daher: Trauen wir uns doch die mutige Annahme zu, es sei genau so gemeint, wie es da steht. Dass es eben nicht im Kern um Macht, um Ämter geht, sondern darum, wie Kirche wieder zu dem wird, was sie sein soll: ein sicherer Ort, gewiss, aber das ist nur die Mindestanforderung, das eigentlich Selbstverständliche. Das Ziel muss sein, dass Kirche wieder Räume eröffnet, in denen Menschen eine Erfahrung von der Heilszusage Gottes machen können.