Selbstbestimmung oder Lebensschutz?Debatte um aktive Sterbehilfe: Auch ökumenisch belastend

In der „Frankfurter Allgemeinen“ hatten sich am Montag (11. Januar 2021) mehrere namhafte evangelische Theologen dafür ausgesprochen, auch in kirchlichen Häusern „Möglichkeiten eines assistierten Suizids…anzubieten oder zumindest zuzulassen und zu begleiten“.

Mit deutlicher Ablehnung haben Vertreter der katholischen Kirche auf den neuerlichen Vorstoß evangelischer Theologen reagiert, aktive Sterbehilfe in kirchlichen Einrichtungen zu ermöglichen.

Für die Deutsche Bischofskonferenz erklärte Sprecher Matthias Kopp, Respekt vor der Selbstbestimmung bedeute „gerade nicht, den Wunsch oder die Entscheidung zum Suizid hinzunehmen oder den Suizid als normale Form des Sterbens auszuweisen“. Thomas Sternberg, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sagte, die Position der evangelischen Theologen „deckt sich nicht mit dem Ziel, dem menschlichen Leben in allen Phasen seines Daseins uneingeschränkt zu dienen, so dass sich dieses in Würde entfalten kann“. Und Caritas-Präsident Peter Neher stellte fest: „In katholischen Einrichtungen kann es kein solches Angebot geben. Die Aufgabe der Einrichtungen kann nicht darin bestehen, möglicherweise den Suizid von Bewohnern zu organisieren.“ Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wies die Initiative zurück. Sie lehne jede organisierte Hilfe zum Suizid ausdrücklich ab.

In der „Frankfurter Allgemeinen“ hatten sich am Montag (11. Januar 2021) mehrere namhafte evangelische Theologen dafür ausgesprochen, auch in kirchlichen Häusern „Möglichkeiten eines assistierten Suizids…anzubieten oder zumindest zuzulassen und zu begleiten“. Zu den Verfassern gehören der Münchener Theologe Reiner Anselm, seine Bochumer Kollegin Isolde Karle sowie Ulrich Lilie, der Präsident der Diakonie Deutschland. Auch der Hannoveraner Landesbischof Ralf Meister hat an dem Text mitgearbeitet.

In ihrer Argumentation folgen die Autoren im Wesentlichen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vor einem Jahr (vgl. CIG Nr. 9/2020, S. 90), wonach „die Selbstbestimmung auch im Sterben gelten muss“. Sie wehren sich gegen den kirchlichen „Reflex“, eine solche Position als unchristlich zu verurteilen. Auch dürften die Kirchen keine „bestimmte Normierung des Sterbens propagieren – in diesem Fall eben nicht als assistierter Suizid, sondern etwa als bewusster Sterbeprozess in einem Hospiz“. Zudem erinnern die Verfasser des Papiers an die „lange Schuldgeschichte“ der Kirche im Umgang mit Suizidenten. Auch wollen sie mit ihrem Vorstoß sogenannte Sterbehilfevereine zurückdrängen, die „möglicherweise durchaus eigennützig und nicht im Interesse des Lebensschutzes“ handeln.

Die EKD erklärte inzwischen, sie halte den gesellschaftlichen Diskurs zu dem Thema für notwendig. Dazu könnten auch evangelische Stimmen beitragen, „die von der klaren Position des Rates der EKD abweichen“. Beobachter wiesen allerdings darauf hin, dass diese Haltung bereits seit Längerem alles andere als klar ist. „Liberalere“ Tendenzen bei diesem Thema seien auch in der EKD auf dem Vormarsch. Nur dem Einsatz des Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm sei es zu verdanken, dass diese bislang noch eingehegt wurden. „Bedford-Strohm geht es in der Kontroverse auch darum, dass sich kein Graben zwischen den großen Kirchen auftut“, schreibt die FAZ. Zunehmend scheint er damit auf verlorenem Posten zu stehen.

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