Oh Gott“, titelte Deutschlands größte Boulevardzeitung vor ein paar Tagen. Auch sonst schrieb nahezu jeder angesichts der kaum fassbaren Aufnahmen chaotischer Wassermassen von einer „Sintflut“, von einer Katastrophe „biblischen Ausmaßes“. Es gibt offensichtlich Erfahrungen, die einen fast sprachlos machen. Wer trotzdem etwas dazu sagt – und reden müssen wir, um all das Schreckliche irgendwann irgendwie zu bewältigen –, verwendet auffallend oft Worte und Bilder aus der Glaubenstradition. Selbst bei religiös unmusikalischen Menschen scheint in diesen Augenblicken eine Tür im Innern aufzugehen. Erzählungen, die einst gehört, erlernt wurden, inzwischen längst beiseite gelegt, kommen wieder an die Oberfläche. Und man spürt: Wenn etwas tragen könnte, dann ist es genau hier zu finden. Wenn etwas Hoffnung spendet angesichts all der Aussichtslosigkeit, dann ist es hier verborgen. Und mancher ertappt sich vielleicht bei dem Gedanken, der Sehnsucht: Was, wenn es doch wahr ist…
Auch wir haben in dieser Ausgabe das Unwetter mitten in Deutschland ins Zentrum gestellt, auf CIG-Art natürlich: Wir fragen nicht in erster Linie nach Katastrophenschutz und Klimawandel, wir bewerten das Ganze auch nicht politisch. Vielmehr nehmen wir die Themen in den Blick, die sich stellen, wenn man mit religiöser Brille, als CHRIST IN DER GEGENWART also, auf das Geschehen blickt.
Not lehrt beten? So hätte man früher vielleicht gesagt. Mir ist diese Redewendung zu abgeklärt, ja fast schon zynisch für das, was sich da ereignen kann. Und ist nicht genau das auch das wesentliche Problem von Kirche? Dass sie routiniert alles weg-erklärt und weg-deutet, zu allem eine gestanzte Antwort hat – selbst zu Fragen, die gar nicht gestellt werden? Auch das sind Gedanken, die das Hochwasser hochspült – und die womöglich in den alljährlichen Kirchenstatistiken ihren traurigen Widerhall finden.
Unbändig wie die Wassermassen scheint leider auch der Hass zu sein, der nach wie vor auf den digitalen Kanälen um sich greift. In dieser Woche hat die deutsche Fußball-Olympiamannschaft ein Testspiel abgebrochen, weil der Spieler Jordan Torunarigha rassistisch beleidigt wurde. Müsste das nicht stolz machen darauf, wie „unsere Jungs“ zusammenstehen? Aber nein, in den sozialen Netzwerken wurde das Team niedergemacht. Der Tenor war: Das sind doch Nebensächlichkeiten! Als Nationalspieler muss man das aushalten. Viel wichtiger wäre doch, dass die Spieler mit Trauerflor auflaufen – für die Flutopfer. Was für eine verquere „Logik“!