EditorialVerlusterfahrungen

Nach der Flutkatastrophe im Juli wird sich soetwas wie Normalität noch lange nicht wieder einstellen, vor allem nicht in den Herzen der Menschen.

Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für diese Verwüstung.“ Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt, als sie sich vor Ort ein Bild von der Flutkatastrophe machte. Der Satz ist auch eine Woche später noch die treffende Beschreibung der Lage. Tote wurden geborgen, betrauert und begraben. In Gottesdiensten sprachen Seelsorgerinnen und Seelsorger den Hinterbliebenen Trost zu. Viel, viel Hilfe traf in den Katastrophengebieten ein: Menschen kamen von überallher, packten mit an, schickten Spenden – auch das ist Deutschland im Sommer 2021. Nach und nach werden Straßen geräumt, Strom- und Wasserleitungen repariert, Behelfsbrücken gebaut.

Doch so etwas wie Normalität wird sich noch lange nicht wieder einstellen, vor allem in den Herzen der Menschen. Zu gewaltig, zu umstürzend, zu plötzlich ist die Verlusterfahrung. Die Flut kam ja innerhalb von Minuten und riss oft alles weg, was das Leben ausgemacht hat. Die Familie, geliebte Menschen – tot, vermisst, nicht mehr da. Das Heim, das Dach überm Kopf, die eigenen vier Wände – weggespült, einsturzgefährdet, abbruchreif. Das Hab und Gut, das Lieblingsbild, das Kuscheltier, der Schuhkarton mit den wichtigen Briefen – im Dreck versunken, verloren. Überall Wasser, überall Schlamm … All das übersteigt jegliche Vorstellung, und dennoch erleben Menschen dies genau jetzt und genau hier. Sie brauchen unsere Solidarität – und unser Gebet.

Auch kollektiv als Kirche in Deutschland müssen wir mit einem Verlust fertigwerden: Wir trauern um den Jesuiten Bernd Hagenkord, der im Alter von 52 Jahren gestorben ist. Er war Journalist, Vatikan-Erklärer, zuletzt Geistlicher Begleiter des Synodalen Wegs, bei dem er sich stets entschieden dafür eingesetzt hat, dass dieser Dialog- und Reformprozess auch ein wirklich spirituelles Geschehen ist. Im März schrieb er in unserer Zeitschrift, dass die Etiketten „liberal“ und „konservativ“ in der Kirche nicht taugen.

Zugleich hat Bernd Hagenkord den Katholizismus nach „außen“ repräsentiert. Selbst die linke „tageszeitung“ schrieb: Er „personifizierte das Beste und Schönste, was die katholische Kirche in Deutschland zu bieten hat – eine Weltoffenheit, eine Intellektualität und eine ökumenische Weite, die sie, neben allen Skandalen und Verbrechen, die von ihr zu melden sind, eben auch auszeichnet.“ Wir verneigen uns dankbar vor ihm. Die Worte dazu hat Simon Biallowons, Geschäftsführer und Cheflektor des Verlags Herder, in seinem Nachruf gefunden. Stephan Langer

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