Geistige NahrungDas Brot, das nährt

Wie schwer fiel es doch den Zeitgenossen Jesu, den Blick auf das zu lenken, was wirklich, geistlich nährt! Aber sind wir heute darin besser?

Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich“ (1 Kön 19,7) – Immer wieder weckt der Engel den in der Wüste schlafenden Elija, auf dass er vom Himmelsbrot esse, um sich körperlich für seine vierzigtägige Wanderung zum Horeb und für seine Begegnung mit JHWH zu stärken. Auch Mose und das Volk Israel wurden während ihrer vierzigjährigen Wüstenwanderung mit Manna gekräftigt. Mit diesen Erzählungen im Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Zuhörerinnen und Zuhörer, die Jesus auf einen Berg gefolgt sind und dort im Zuge der Brotvermehrung gesättigt werden, ihn in eine Reihe mit Mose und Elija stellen.

Aber Jesus widersetzt sich im aktuellen Sonntagsevangelium dieser Zuschreibung der Menge. Er empört sich über ihre Blindheit für das Wesentliche und belehrt sie eines Besseren: Weder ihre eigene leibliche Sättigung durch die Brotvermehrung noch die ihrer Vorfahren auf deren Wüstenwanderung sind das tatsächliche Wunder. Denn „eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben“ (Joh 6,49).

Das eigentliche Zeichen, die eigentliche fulminante Wende besteht in der geistlichen Sättigung durch Jesus, der sich ihnen als das Brot des Lebens offenbart. „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6,51). Nur wer Jesus, seiner Botschaft und seinem Paradigmenwechsel zur seelisch-geistlichen Nahrung folgt, dessen Kräfte reichen nicht nur für einen Fußmarsch durch die Wüste, sondern für den Weg in die Ewigkeit.

Das sind richtungsweisende, aber auch schwer verdauliche Worte, die nicht nur unter Jesu unmittelbarer Zuhörerschaft für Erstaunen und Irritationen sorgten. Bis in unsere Gegenwart hinein haben sie nichts an Brisanz und Relevanz eingebüßt. Auch heute erliegen wir Menschen bisweilen der Illusion, verschiedene Formen von materieller „Sättigung“ – die von einem gut gefüllten Kühlschrank bis hin zu einer gut bestückten Garage reichen können – würden zu einem gelingenden Leben genügen. Dabei vergessen wir, dass der Mensch eben nicht vom Brot allein lebt (vgl. Mt 4,4). Aber tatsächlich ist es so, dass wir auf den ersten Blick körperlich satt und zufrieden sein können – zugleich jedoch innerlich leer, hoffnungslos oder sogar seelisch am Verhungern.

Deshalb ist – beziehungsweise wäre – es gerade die originäre und notwendige Aufgabe der Kirche, den Fokus wieder auf die geistlichen Grundnahrungsmittel zu richten, die Hoffnung der Menschen zu nähren und für ihre Seelen zu sorgen, sie – wie der Engel den Elija in der Wüste – aufzuwecken und zu ermuntern: Gib deiner Seele zu essen! Sonst ist der Weg zu weit für dich. Aber leider muss gegenwärtig auch die Kirche immer wieder daran erinnert werden, dass volle Bistumskassen und gut verwaltete Kirchensprengel geistlich nicht sättigen, dass diskriminierende Strukturen den Hunger nach Gerechtigkeit nicht stillen können und dass ein Mangel an Glaubwürdigkeit die Zuversicht verkümmern lässt – ganz zu schweigen von den Abgründen der Missbrauchsfälle, bei denen die Täter sowohl die Würde und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Opfer als auch die Botschaft des Evangeliums mit Füßen getreten und zahlreiche Betroffene in den seelischen Hungertod getrieben haben.

Angesichts dieser Krise sei auch der Kirche ein Erwachen, eine evangeliumsorientierte Umkehr und ein grundlegender Systemwandel dringendst ans Herz gelegt. Denn nur wenn sie den Menschen wieder leben- und hoffnungsspendendes statt bitteres Brot zu essen gibt und wenn sie insbesondere Missbrauchsbetroffene nicht mehr nur mit Krumen abspeist, sondern sich angemessen um ihr ganzheitliches Wohlergehen sorgt, dann kann der Kirche die lange Wanderung durch die Wüste gelingen. Ansonsten werden ihr unterwegs die Kräfte – und die Gläubigen – ausgehen.

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