Meister Eckhart ist in aller Munde, jedenfalls bei denen, die sich für spirituelle Lebenskunst interessieren. Weniger bekannt ist: Er war ein führender Dominikaner seiner Zeit. Er gehörte also einer jener Aufbruchsbewegungen an, die auf die sozialen und kulturellen Umbrüche der Zeit kreativ reagierten. Im Namen „Bettelorden“ steckt noch der jesuanische Wille, echt solidarisch zu sein mit den Armen, besonders in den wachsenden Städten. Wie Franz von Assisi und doch anders gehört auch der kastilische Priester Dominikus (circa 1170–1221) zu den Initiatoren einer Kirchen- und Lebensreform: Mit Gebet und Lebenszeugnis gehören bei ihm Predigt und Bildungs- wie Forschungsarbeit zur pastoralen Mitte des Christlichen.
Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Meister Eckhart stehen für viele weitere, die das an den neu entstandenen Universitäten originell ausgearbeitet haben. Contemplata aliis tradere lautet das Motto – Was im Beten, Denken und Tun als wahr und befreiend „geschaut“ und erfahren wird, soll offensiv und mundgerecht weitergegeben werden, und zwar den Anderen als Anderen (und nicht nur seinesgleichen). Und das schließt Selbst- und Kirchenkritik ein, wie bei Katharina von Siena, der großen „Tochter des Dominikus“, zu lernen ist: Stets in der „Zelle der Selbsterkenntnis“ betend lauschen und hören, dann aber entschieden auch Stellung beziehen und handeln. Übersetzen wir also mit Taizé und der Befreiungstheologie, was seit biblischen Zeiten gilt: Kontemplation und Kampf.
Dominikus nahm am vierten Laterankonzil 1215 in Rom teil, an jener Reformsynode, die für das römisch-katholische Kirchenverständnis dann 750 Jahre prägend war und noch heute in manchen Köpfen und Herzen lebt, der Wende des Zweiten Vatikanums zum Trotz. Damals bildete sich jene Gestalt einer herrschaftlichen und hierarchischen (Kleriker-)Kirche mit stark rechtlicher und zentralistischer Perspektive heraus, gegen die einzelne Christen und ganze Basisbewegungen wie die Bettelorden den Ruf zum jesuanischen Ursprung setzten: nackt dem nackten Christus folgen und in Solidarität mit den neuen Armen leben. Als hätten sie den spirituellen Nerv ihrer Zeit getroffen, entstand kurz nach dem Tod der Gründer schon ein europäisches Netzwerk klösterlicher Zentren gemeinsamen Lebens und Wirkens – etwa in Konstanz, Erfurt oder Köln. Dabei fällt gerade bei Dominikus auf, wie sehr er die Situation von Frauen im Blick hatte und sie förderte.
Dominikus erkannte es als Gebot seiner Zeit, für den Glauben mit guten Gründen zu werben und mit seinem Lebensstil zu überzeugen – also nicht mit Gewalt wie in den schrecklichen Katharerkriegen: nicht „verketzern“ und anschwärzen, wohl aber die Geister unterscheiden und dem Beglückenden des Evangeliums einladend Gestalt geben! Leider wurde das in Zeiten der Inquisition immer wieder vergessen. Es ist aber kaum ein Zufall, dass es im letzten Konzil gerade große Dominikaner wie Yves Congar und Marie-Dominique Chenu waren, die die christliche Einheit von Gottes- und Weltliebe unterstrichen: in der Kontemplation aktiv, in der Aktion kontemplativ – also in der Welt die Wirkeinheit mit jenem Gott bezeugen, der Glück und Heil für alle will und schafft, und das durchaus kämpferisch. Gotthard Fuchs