Rache ist oft besser als ihr Ruf. Davon ist der österreichische Psychiater Reinhard Haller überzeugt. Für ihn zählt sie zu den komplexesten menschlichen Gefühlen. „Wir beschreiben sie als süß und bitter, als heilig und teuflisch“, schreibt er in der Zeitschrift „Psychologie heute“ (Oktober). „In erster Linie geht es um Ausgleich und Stärkung des angeschlagenen Gerechtigkeitsgefühls, welches zu den sensibelsten Werten überhaupt zählt.“
Wer dem Drang widersteht, seine Rachegefühle desktruktiv auszuleben, kann sie laut Haller auch nutzen, um etwas Großes zu schaffen. So lässt sich Unrechtsgefühl auch verarbeiten, indem man die Schuldigen mit seiner Leistung übertrifft. „So können die größten Kunstwerke – von Michelangelos nackten Leibern in der Sixtinischen Kapelle bis zu Robert Schumanns Sinfonien – als grandioses Ergebnis konstruktiver Rache interpretiert werden.“ Allerdings gibt es einen noch gesünderen Weg mit dem Gefühl fertigzuwerden. „Die ideale Umgangsform mit Rache wäre das Verzeihen, das aber nicht immer möglich ist.“