Auch das Herz braucht eine Ökologie

Bestsellerautor Johannes Hartl beschreibt, wie zum Umweltschutz die innere Umkehr kommen muss. Die Sehnsucht nach dem paradiesischen Anfang kann dabei den Weg weisen: „Eden Culture“.

Wir „erwischen“ Sie auf Lesereise, Herr Dr. Hartl. Das Interesse ist groß. Es scheint, dass Sie mit Ihrem Buch einen Nerv getroffen haben?

Johannes Hartl: Ja, über den Zuspruch freue ich mich sehr. Das hat sicher auch damit zu tun, dass das Thema „Ökologie“ gewissermaßen omnipräsent ist. „Fridays for future“ lockt Millionen überwiegend junge Menschen auf die Straße. Keine Bewegung der letzten Jahrzehnte kann es an Prägekraft und Reichweite damit aufnehmen. Auch die Politik und die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sehen den Klimawandel als große Bedrohung an.

Wobei Ihr Ansatz ja gerade nicht beim Umweltschutz stehen bleibt…

Ich bin überzeugt: Wenn das ausstirbt, was uns als Menschen ausmacht, wird uns auch ein nachhaltiger Umgang mit Wasser und Luft allein nicht retten. Wir müssen tiefer ansetzen. Das Herz eines Problems ist immer auch ein Problem des Herzens. Deshalb spreche ich von einer notwendigen neuen Ökologie des Herzens. Ich führe damit einen Gedanken weiter, den Papst Benedikt XVI. geäußert hat, als er 2011 bei seiner Rede im Deutschen Bundestag von der „Ökologie des Menschen“ sprach. Ich finde, die ökologische Bewegung hat ausgerechnet hier, beim Menschlichen, einen blinden Fleck. Es geht insgesamt um die Frage, wie wir leben wollen.

An Ihrem Buch hat mich sehr angesprochen, dass Sie positiv nach vorne schauen, produktiv ein Szenario skizzieren…

Uns modernen Menschen ist relativ klar, wogegen wir sind. Wir wollen keine Umweltzerstörung, auch keinen Rassismus, keinen Terrorismus. Auch unsere modernen Geschichten – anders etwa als die Mythen der antiken Kulturen – sind oft dystopisch, erzählen uns also nur, dass die Welt immer kaputter wird und wie wir nicht leben wollen. All das zu formulieren, ist vergleichsweise leicht. Doch wofür sind wir? Wie wollen wir stattdessen leben? Der Soziologe Hartmut Rosa sagt, dass „uns individuell und kulturell keine Gestalt gelingenden Lebens mehr vor Augen steht“. Seinem Befund stimme ich zu. Aber ich glaube, dass wir uns nicht mit den bestehenden Verhältnissen abfinden müssen, sondern dass es ein anderes Leben, ein neues Morgen, geben kann.

Warum greifen Sie dazu ausgerechnet auf das biblische Bild des Gartens Eden zurück?

Für viele von uns steht der Garten symbolisch für einen Zustand, in den wir uns zurücksehnen, weil ein Teil von uns weiß, dass wir etwas verloren haben. Das ist so etwas wie ein Grundgefühl der Menschheit. Die Mythen und Legenden vieler Kulturen erzählen Geschichten von einem verlorenen guten Ur-Zustand, der verlorenen Unschuld. Am bekanntesten ist die alttestamentliche Erzählung von Adam und Eva im zweiten Kapitel des Buchs Genesis: der Garten Eden.

Ist es nicht riskant, den oftmals säkularen Menschen von heute mit einem biblischen Bild zu kommen? Hören die da überhaupt noch zu?

Bei meinen Lesungen habe ich keine negativen Erfahrungen gemacht. Diese biblische Geschichte ist einfach immer noch sehr verbreitet und anschlussfähig. Hinzu kommt: Sie sagt ja etwas Zentrales über den Menschen aus, egal, ob man an Gott glaubt oder die Bibel für ein Märchenbuch hält. Der Evolutionsbiologe Carel van Schaik und der Historiker Kai Michel etwa lesen die Bibel unter evolutionärem Gesichtspunkt – und ziehen daraus die Schlüsse, was unserer Natur guttut. Das können viele gut nachvollziehen.

Sie arbeiten drei Prinzipien – Sie sprechen von „Geheimnissen“ – heraus, die es braucht, um „den Garten des Menschlichen vital zu halten“…

Diese Nährstoffe sind Verbundenheit, Sinn und Schönheit. Ich beschreibe ausführlich, was sie kennzeichnet, wodurch wir in Gefahr sind, sie zu verlieren, und warum wir nicht leben können ohne sie. Wenn man diese drei Geheimnisse nebeneinanderlegt, könnte man sie auch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Es geht um ein Heimkommen. Wo immer wir Verbundenheit spüren und von Sinn und Schönheit umgeben sind, sagt unser Inneres spontan: „Für so einen Ort bin ich gemacht, hier fühle ich mich zu Hause!“

Wie kommt es dann, dass Sie am Ende Ihres Buchs nicht wieder im Garten Eden landen?

Weil auch am Ende der Bibel etwas Besseres steht als das alte Paradies: eine Stadt, in der Bäume des Lebens wachsen und kristallklares Wasser fließt. Stadt und Garten zugleich. Eden 2.0 sozusagen. Diese Stadt ist etwas anderes als der Turm von Babel, den die Menschen – erstaunlich modern – ja vor allem durch Leistung und fürs Prestige bauen. Das himmlische Jerusalem ist dagegen eine Stadt, die wie ein Geschenk zu uns kommt. Sicher, wir müssen und können ihr den Weg bereiten, indem wir uns um die Ökologie des Herzens kümmern. Wir sollen uns dafür einsetzen, dass in unserer Kultur Verbundenheit, Sinn und Schönheit den Vorrang haben, dass wir vom Geist des Lebens beseelt sind. Auch lehne ich ja den technischen Fortschritt nicht ab. Aber am Ende kommt diese Stadt vom Himmel her.

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Hartl, Johannes

Eden CultureÖkologie des Herzens für ein neues Morgen

(Verlag Herder, Freiburg 2021, 304 S., 24 €)

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