Kochen ist eine elementare Tätigkeit – wie alles, was mit Überleben zu tun hat. Zudem kann es, je nach Typ, höchst lustvoll sein; sogar allein, aber erst recht mit anderen und für sie. Ob nach Rezept oder Gespür: Das Zusammenspiel von Vorgegebenem und Kreativem hat seinen Reiz, ebenso die verschiedenen Düfte und Temperaturen. Und wenn alles gut geht, steht am Ende ein sinnliches Ergebnis da mit bestem Geschmack.
Damit nicht genug: Zu den Speisen kommen die Getränke. Auch das Tischdecken davor, ja selbst das Abspülen und Aufräumen hinterher gehören in dieses große Ritual, alltäglich wieder anders als an Festtagen. Keine Frage: Kochen ist ein höchst kulturelles Geschehen (deshalb sei von Fast Food und Schnellimbiss – schon dieses Wort! – hier gar keine Rede). Kochen – das hat mit der Umgestaltung von Natur in Kultur zu tun, und führt zurück bis in die Ursprünge der Zivilisation.
Warum sonst gäbe es auch die vielen Kochsendungen im Fernsehen, weshalb das ausführliche Besprechen der Rezepte und Zutaten, das Zelebrieren in Zubereitung und Präsentation? Man könnte fast an die Säkularisierung des Abendmahls, der Eucharistie denken: Auch da gibt es Priester und Messdienerinnen – Sterneköche und Helfer –, gibt es Prediger, Diakone und Sakristane, es geht rituell und feierlich zu wie in der Kirche, dazu durchaus unterhaltsam, und eben kost-bar und nahrhaft. Warum diese gleichermaßen gaumenlustig-orale wie ästhetisch gestaltete Anstrengung und Schaustellung? Oder muss man gar von einer „heiligen Handlung“ sprechen, die in fast allen Sendern zelebriert wird? Im Fernsehen gelingt alles makellos, das Kochen geht dort nie schief – und es ist, jedenfalls virtuell, immer ein unmittelbarer Genuss: der Blick in eine andere, bessere Welt. Aber, um mit Eckart von Hirschhausen zu fragen: „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist?“
Die Frage führt mitten ins Herz des Elementaren und Spirituellen. „Um dieses Gericht für euch vorzubereiten, hat heute die ganze Nacht mein Herz in meinem Inneren gekocht. Mir geht es nicht so sehr darum, Worte zu erklären, als Herzen anzurühren, und derlei erfasst der Verstand nur in dem Maß, in dem die Erfahrung daran gerührt hat.“ Wie ein guter Nährvater will Bernhard von Clairvaux seine Klosterbrüder mit Predigt sättigen. Und das gelingt nur durch inneres „Kochen“ und „Schmecken“. „Ich bin der Koch, meine Seele aber ist die Küche...Die geistliche Speise muss nämlich in einer geistlichen Küche und mit dem Feuer des Geistes zubereitet werden.“ Und die Klöster seien der Magen der Kirche, da werde kontemplativ verdaut. Alles zielt nicht nur auf Sättigung, sondern auf himmlischen Genuss. „Weisheit“ hat im Lateinischen ja etwas mit „Geschmack“ zu tun (sapere)!
Bernhards Zeitgenossin Hildegard von Bingen weiß sich, schon 65-jährig, in ihrem Leben von Gott „durchgekocht“ und meint, das sei typisch für die Schöpfung im Ganzen. Jedenfalls gilt mit Madeleine Delbrêl grundsätzlich: „Gott serviert uns die Umstände nicht wie fertig Gekochtes...Er reicht sie uns so, dass wir sie vollenden, dass wir daraus seinen Willen machen können.“ Deshalb hat der evangelische Theologe Oswald Bayer Recht: „Der Sünder ist in erster Linie ein Kostverächter“.