Am 26. September durften wir in Deutschland wählen und sind nun Zeugen, wie Demokratie bei uns funktioniert. Die Vorsitzenden der Parteien sind jetzt damit beschäftigt, eine Regierung zu bilden. Diese muss irgendwann eine Mehrheit im Parlament bekommen und dann sitzen die Ministerinnen und Minister am Kabinettstisch und fangen mit der Arbeit an. Einen Sessel mit erhöhter Rückenlehne gibt es in Berlin nicht mehr, und doch wissen alle, dass der Regierungschef eine sogenannte Richtlinienkompetenz besitzt. Und selbst wenn die gewählten Volksvertreter ein von der Regierung eingebrachtes Gesetz mit Mehrheit beschließen, kann die kleine Gruppe von acht Verfassungsrichtern dessen Umsetzung noch verhindern – und es ist immer noch eine Demokratie, in der wir leben. In vielen Ländern Europas wie zum Beispiel in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden oder der Schweiz vollzieht sich die Willensbildung des Volkes anders, und es sind ebenfalls Demokratien.
Demokratie im Plural
Demokratie ist mitnichten das Diktat der Mehrheit, wie es manchmal in der Kirche als Drohkulisse gegen Veränderungen an die Wand gemalt wird. Dabei gibt es ein solches Diktat längst angesichts einer Sperrminorität von zwei Dritteln auf Seiten der Bischöfe, wenn es um Entscheidungen des synodalen Weges geht.
So wenig das Amt der Kanzlerin gelitten hat, nur weil sie nicht als letzte Instanz im Staat alles entscheiden darf, so wenig würde das Amt des Papstes leiden, wenn ihm diese Macht – oder ist es eine Last? – genommen würde. Es gibt so viele gute Demokratien in der Welt, da wird es doch wohl auch eine, vielleicht eine ganz neu zu entwickelnde für die katholische Kirche geben!
Lasst den Heiligen Geist wirken!
Welche Institution hat so viele Gremien auf allen Ebenen: von der kleinsten Pfarrgemeinde bis zur Weltkirche, vom Pfarrgemeinderat bis zum Konzil. Beschneidet die aktuelle Form der Willensbildung in der katholischen Kirche von oben nach unten da nicht die Wirksamkeit des Heiligen Geistes durch die Menschen in diesen zahlreichen Gremien?
Immerhin nahm sich der Heilige Geist die Freiheit, selbst auf Ungetaufte herabzukommen (Apg 10,44ff.). Möglicherweise ist er im Überschwang der Begeisterung, die ihm anscheinend innewohnt, da etwas über seine kirchlich erlaubte Kompetenz hinausgeschossen, aber darauf wusste der „erste Papst“ schon die passende Antwort: „Kann jemand denen das Wasser der Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?“ (Apg 10,47)