Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt? Eine Corona-Welle nach der anderen flutet über den Erdball. Millionen Menschen sind an dem Virus gestorben, Millionen weitere werden ihm zum Opfer fallen. Doch religiös scheint das kaum zu erschrecken. In biblisch bewussten Zeiten wäre ein solches Drama ein Signal für Gottvergessenheit, ja Gottesleugnung gewesen, Anlass zu Besinnung, Umkehr, Buße. Doch jetzt? Allenfalls behaupten manche, die Natur schlage zurück. Und eine grüne Ideologie legt nahe, dass unter einem ökologisch breit „aufgestellten“ Klimarettungsschirm die Menschheit in ein Reich, ein Paradies naturgemäßer Harmonie eintreten werde. Doch die Natur ist grausam. Wir leben in einer imperfekten Schöpfung voller Geburtswehen. Am Ende lauert für jeden und alles der Tod. Was macht das mit uns? Was macht das mit Gott?
Heimelige Tage?
Gesellschaftlich wird die Tatsache der Gottesfinsternis, die einst die Frommen wie weniger Frommen erschütterte, jedoch ausgeblendet. Sogar kirchlich wird das überspielt. Schon sorgt man sich wieder vor allem darum, wie die Ritualroutine seuchenhygienisch optimiert weiterlaufen kann. Möglichst viele sollen in den Genuss der heimeligen Tage und Liturgien kommen dürfen: Christmetten, Hochämter… Die Krippenfeiern, bei denen sich längst mehr Erwachsene als Kinder tummeln, haben das alle Jahre wieder erwartete biologische Kindchenschema zu bedienen. Es soll ein rührseliges, nettes, süßes Erleben wecken angesichts des unschuldigen, sich inszenierenden Nachwuchses vor dem (noch Jesus?-)Baby in der Krippe, das aber doch karfreitäglich grausam stirbt.
In der Sphäre des Atheismus
Wer hat den Mut, die große Unterbrechung zu wagen, welche die liebgewordene Oberfläche durchstößt und in den existentiell-religiösen Abgrund führt, in die Nacht Gottes, wenn es dunkel um uns ist, auch spirituell? Wer wagt es, da hinabzusteigen, die gefährliche Erinnerung zu wagen, erschüttert wie die mystischen Gottsucher der Finsternis, etwa Johannes vom Kreuz, Teresa von Avila, Therese von Lisieux, Mutter Teresa? Sie sind eingetaucht in die Sphäre des Atheismus, eine bedrängende Gottverlassenheit, um fern jedem Äußerlichen im Innersten die Ausschau nach dem wahren Licht, dem einzigen Seelentrost zu wagen: Rettung durch den verborgenen Gott. Denn nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, sagte der Philosoph Ernst Bloch. Und Johann Baptist Metz, der große Theologe der Sensibilität für die Leidenden und die Gottesleere, nannte Unterbrechung die kürzeste Bestimmung von Religion. Es wäre im Sinne solcher „negativer Theologie“ ein mutiger Aufschrei, ein Ausbruch aus leer gewordener Kirchenroutine wie Gottvergessenheit, alle Gottesdienste auszusetzen – gegen ein ersticktes Weihnachtsfest. Ein Aufwecken, damit viele aufschrecken können vor dem Schrecken eines alles andere als harmlosen Gottes. O Heiland, reiß die Himmel auf!