Alle Jahre wieder treten die führenden Medien im Advent aufs religions- und kirchenkritische Gaspedal. Als gelte es, gerade jetzt die transzendente Sehnsucht plattzumachen – beziehungweise die Reihen der Zweifler und Verächter des Gottesglaubens zu schließen.
Diese „Gesetzmäßigkeit“ führt zuweilen zu absurden Beiträgen. Vor einigen Jahren etwa zweifelte der Spiegel zur Abwechslung einmal nicht die Existenz Jesu an, sondern fragte, ob womöglich Paulus gar nicht gelebt habe. Was den Kollegen aus Hamburg wohl in diesem Jahr einfällt? Die Zeit hat jedenfalls schon mal vorgelegt und letzte Woche gefragt: „Geht es auch ohne Religion?“
Es geht um mehr als den Nutzen
„Nach all dem Blut, das im Namen Gottes vergossen wurde und wird, versteht man jeden, der die Religionen zum Teufel wünscht“, heißt es da. Und: „Ohne den Stachel der Religion wäre die Moderne endlich frei und grenzenlos – das ewige Experiment des Menschen mit sich selbst.“ Zunächst also nichts Neues.
Immerhin räumt der Autor, Feuilleton-Redakteur Thomas Assheuer, ein: Die Annahme, dass Religion „weltweit verschwinden wird, dürfte immer noch falsch sein“. Zu groß sei die Sehnsucht nach ihren gemeinschaftsstiftenden Riten, „zu groß das Verlangen nach Antworten auf existenzielle Leiderfahrungen, die keine Sozialpolitik zum Verschwinden bringen wird und für die die Alltagssprache keine Worte hat“.
So schön es ist, dass hier einmal nicht alles Religiöse einfach weggewischt wird, so ungenügend ist dieser Blick dennoch. Denn Religion wird auch in dieser Sicht funktionalisiert. Sie soll vor allem zu etwas gut sein. „Kriegstreibern ins Gewissen reden und sie daran ... erinnern, dass selbst der schlimmste Feind ein Mensch ist“, so Assheuer. Denen eine Stimme geben, die keine haben... Das ist alles nicht falsch. Aber ist Religion nicht noch etwas anderes, ist sie nicht noch mehr?
Wirklich mit Gott rechnen
Wer Glauben vor allem auf seine Nützlichkeit, seine gesellschaftliche Funktion hin betrachtet, legt genau das „kalkulierte Wohlwollen“ an den Tag, von dem die „Würzburger Synode“ in ihrem bis heute atemberaubenden Beschluss Unsere Hoffnung gesprochen hat. Das ist gefährlich. Denn das Christentum würde sich damit letztlich selbst säkularisieren, indem es die Reich-Gottes-Botschaft preisgegeben hätte. Die „Religion der Hoffnung“ wäre nicht mehr „als eine inzwischen durchschaute und eigentlich schon überholte Phase in der Geschichte menschlicher Selbstgestaltung“.
Es liegt freilich an jedem und jeder Einzelnen von uns, den Unterschied (deutlich) zu machen. Zeigen wir, sprechen wir darüber, dass wir als Christinnen und Christen wirklich mit Gott rechnen! Noch einmal „Würzburg“: „Sind wir, was wir im Zeugnis unserer Hoffnung bekennen?“