Darüber müssen wir reden. So lautet momentan die Lieblingsfloskel aus Politiker und Experten Mund, wenn es um eine Impfpflicht oder weitere strenge Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung geht. Reden und reden, meinen und meinen. Das ist zum Gesellschaftsspiel geworden, seit die Diskursethik entdeckt wurde. Diese wiederum meint, nichts als vom Naturrecht oder von Gottes Willen oder vom Gewissen her als fundamental vorgegeben betrachten zu dürfen. Alles sei vielmehr Verhandlungssache.
Ohne Dauerreden und Dauermeinen würde die mediale Unterhaltung nicht funktionieren. Die Meinungsforschung hat eine ganze Industrie darumherum aufgebaut, bloße Stimmungen zu erkunden. Talkshows pflegen mit Lust die Beliebigkeit des Für und Wider, modern Diversität genannt. Der Zuschauer möge sich je nach Gefühlskostüm aufregen oder zu Tode amüsieren. Straßenbefragungen voller Belanglosigkeit haben Einzug in die Hauptnachrichten gehalten. Kindermund darf erklären, warum Schule plötzlich toll ist, Unterricht daheim jedoch schrecklich. Selbst wenn nur ein paar hundert Impfgegner mit ihrer Sondermeinung aufmarschieren, muss das von Kameras eingefangen und dem Publikum unterbreitet werden.
Unterscheiden – und dann?
Das Kirchenleben hat sich dem Dauerreden und Dauermeinen angeschlossen. Synodale Prozesse sollen weltweit Stimmungslagen erkunden. Entscheiden ist nicht angesagt, wie Papst Franziskus ermahnt: nur Unterscheiden. Also redet man weiter, als ob in diesem Kirchenspiel seit Jahrzehnten nicht bereits zuviel verspielt wurde. Der Erkenntniswert aus all dem Hin und Her tendiert gegen null. Im günstigsten Fall dahin, dass all das Gerede überflüssig ist, da es eh nichts ändert. Schlimmstenfalls drängt sich Resignation oder Lethargie auf, Politik-, Demokratie-, Staatsverdrossenheit. In religiösen Kontexten Kirchen- mit Christentumsverdrossenheit. Die Wahrheit – gibt’s gar nicht? Selbst wenn – sie interessiert nicht mehr, weil pure Meinungssache.
Einer wagt das Bekenntnis
Selbst Jesus hat eine Meinungsumfrage gestartet – über sich selbst. Bei Cäsarea Philippi fragt er seine Jünger, für wen die Leute den Menschensohn halten. Die einen vermuten, er sei Johannes der Täufer, andere sehen in ihm Elija, wieder andere Jeremia oder sonst einen der Propheten. Daraufhin fragt Jesus seine Jünger. Einer wagt ein Bekenntnis, Simon Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Demnach gibt es die eine Wahrheit doch, selbst wenn nur ein Einzelner sie ausspricht und keine Meinungsumfrage hinter sich hat. Jesu Weisung: „Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ Das meint Entscheiden und Handeln aufgrund von Wahrheitserkennen und Wahrheitsbekennen. Ist das nur etwas für die Religion? Oder auch für die Politik?