Vielleicht müssten wir mehr so werden wie die Hirten. Die hielten draußen auf dem freien Feld Nachtwache bei ihrer Herde, machten also, was sie immer machten. Sie gingen ihrem Beruf nach. Routine. Man kann sich vorstellen, dass sie sich irrsinnig zu fürchten begannen, als plötzlich ein Engel des Herrn zu ihnen trat und sie von der Herrlichkeit des Herrn umstrahlt wurden. Die Botschaft des Engels beginnt mit den Worten: „Fürchtet euch nicht!“ Er erzählt von einer großen Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll, von der Geburt des Herrn, und wie die Hirten ihn finden könnten.
Der Engel spricht zu uns
Diese Szene gehört nicht nur ins Weihnachtsevangelium (vgl. Lk 2,8ff.), in die vielleicht berühmteste Geschichte aller Zeiten, sondern sie ist auch eine verblüffend aktuelle Erzählung. Wir sind die Hirten. Wir leben unseren Alltag, oft genug in Routine, und halten auch Wache bei unserer Herde. Nacht für Nacht, Woche für Woche… Und jetzt tritt plötzlich ein Engel des Herrn zu uns, taucht alles in grelles Licht, wir fürchten uns – klar! –, aber der Engel weist uns den Weg aus der Furcht: Die große Freude, die er verkündet, gilt für das ganze Volk. Also auch für die Hirten. Also auch für uns.
So. Was machen wir jetzt? Wir könnten den Engel ignorieren, so wie viele von uns Christian Drosten ignorieren, weil sie ihn nicht verstehen. Wir könnten auf den Engel schimpfen, so wie viele von uns Karl Lauterbach kritisieren, weil der auch immer von einer großen Freude für das ganze Volk spricht und sich dabei doch nur in unser Leben einmischen will. Wir könnten ganz schnell Schilder malen und draußen auf dem freien Feld eine Demo gegen den Engel organisieren, so wie viele von uns jeden Tag in einer anderen Stadt gegen die „Corona-Diktatur“.
Sagt es allen weiter!
Und was machen die Hirten wirklich? Sie sagten zueinander: „Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!“ Die Hirten haben sich auf das Neue, das Unbekannte eingelassen, weil sie ahnten, dass etwas Großes auf sie wartete, etwas Besseres, das Richtige. Und sie sind nicht nur gegangen. Sie haben Maria und Josef und das Kind nicht nur gefunden. Sie haben anschließend auch allen davon erzählt.
Vertrauen, Mut, Entschlusskraft, Gemeinsinn – das alles haben die Hirten in dem einen Moment gezeigt, in dem die Geschichte sich verändert hat. Als das himmlische Heer jubilierte: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens!“ Wir sind uns des Friedens auf Erden nicht mehr sicher. Vielleicht müssten wir deshalb mehr so werden wie die Hirten auf freiem Feld, damit mehr Menschen davon hören, darüber staunen – und dann das Richtige tun.