AbschiebungenRecht, aber nicht richtig

Eine georgische Familie ist aus Österreich abgeschoben worden. Darunter sind zwei minderjährige Kinder, die in Österreich geboren wurden.

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Schauen Sie sich dieses Mädchen an! Das ist Tina, sie ist zwölf Jahre alt. Sie wurde in Österreich geboren und ist dort aufgewachsen, zur Schule gegangen und hat Freundinnen gefunden. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag der vergangenen Woche wurde sie gemeinsam mit ihrer georgischen Mutter und ihrer fünfjährigen Schwester von rund 150 Polizisten plus Spezialkräften aus ihrer Wohnung geholt und nach Georgien abgeschoben.

Diese brutale Zuspitzung einer kompromisslosen Asyl- und Migrationspolitik, die den Markenkern der regierenden Österreichischen Volkspartei ausmacht, war rechtmäßig, aber nicht richtig. Rechtmäßig, weil die georgische Mutter keinen Asylstatus hatte. Sie war nicht richtig, weil mit dieser Entscheidung gleichzeitig das Kindeswohl und die Kinderrechte eines in Österreich gut integrierten Mädchens missachtet wurden. Mit dem nächtlichen Polizeieinsatz wurden auch Tinas Lebensgrundlage und ihre Zukunftsträume zerstört. Sieht so wirklich die letzte Antwort der österreichischen Politik aus, die von einer Partei bestimmt wird, die sich auf christliche Werte und Tradition beruft?

So wird Tina zum Symbol für ein gespaltenes Land: Wut, Scham und Empörung kollidieren mit einem sturen Beharren auf Recht und Ordnung, das von einem vagen Gefühl der „Betroffenheit“ (Innenminister Karl Nehammer) kaschiert wird. Bezeichnend für die moralisch-politische Krise in Österreich ist, dass ein Schülersprecher klarere Worte findet als das Staatsoberhaupt. Bundespräsident Alexander van der Bellen trat eigens vor die Kameras, um hilflos zu klagen: „Ich kann und will nicht glauben, dass wir in einem Land leben, wo dies in dieser Form wirklich notwendig ist.“ Demgegenüber sagte der Schülersprecher von Tinas Gymnasium Stubenbastei, Theo Haas: „Wenn das, was hier stattgefunden hat, rechtens ist, nämlich, dass eine wirklich perfekt integrierte Familie, deren Heimat Österreich ist, mitten in der Nacht abgeschoben wird und in einen Flieger gesetzt wird, in ein Land, zu dem die Familie keinen wirklichen Bezugspunkt hat, dann stimmt etwas mit den Gesetzen nicht.“

Von hier aus muss weitergedacht werden. Heute lässt das Land noch seinen Gefühlen freien Lauf, aber ab morgen muss es um eine menschlichere, ausgewogenere Gesetzgebung und Rechtsprechung gehen. Niemand stellt ein angemessenes Asylrecht in Frage. Aber die Schwächsten unserer Gesellschaft, die Kinder, brauchen ganz besonderen, einklagbaren Schutz. Die Instrumente dafür wären da: Staatsbürgerschaft für Kinder, die in Österreich geborenwerden. Humanitäres Bleiberecht. Einrichtung einer Härtefallkommission. Die politische Kunst ist es nun, beides miteinander klug und maßvoll zu verbinden. Hier liegt ein Auftrag für die Grünen. Sie regieren schließlich mit.

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