Bleiben Sie immer mehr Hoffnungsträger als Bedenkenträger, denn davon haben wir reichlich genug.“ Dieses Wort von Franz-Josef Bode hat Christof Haverkamp seiner Bischofsbiografie vorangestellt. Inmitten einer gewaltigen Kirchen- und Glaubenskrise sieht er in Bode einen Optimisten, nennt ihn einen „behutsamen Reformer“. Er reize Spielräume im Kirchenrecht aus, etwa als er 2018 erstmals einen nicht geweihten „Pfarrbeauftragten“ einführte, der eine Gemeinde leitet.
Als Vordenker beschreibt Haverkamp den Bischof auch, wenn es um die Rolle der Christinnen geht. „Insgesamt ist der Raum vor der Priesterweihe von Frauen noch nicht genügend ausgeschöpft“, habe Bode früh erkannt. Bereits 2002 machte er Daniela Engelhard zur Chefin des Seelsorgeamts. Die Mainzer Theologin sei da noch eine „Exotin“ gewesen. Überhaupt gebe es bei Bode keine Denk- und Sprechverbote. Immer wieder bringt er öffentlich das Amt einer Diakonin ins Gespräch.
Einen wachen Blick habe er als „Jugendbischof“ der Bischofskonferenz gehabt, diesen Posten hatte er von 1996 bis 2010. „Ihm ist bewusst, dass junge Christen in den meisten Fällen nicht nach kirchlichen Normen leben, schon gar nicht bei der vorehelichen Sexualität.“ Ginge es nach Bode, sollten Seelsorgerinnen und Erzieher „behutsame Helfer“ sein – einladend, werbend. Der Osnabrücker Bischof stehe für einen Wechsel von einer Logik der Gebote und Verbote hin zu einer Ethik des Leitbilds, schreibt Haverkamp.
Ferner erinnert der Autor an Bodes Rolle bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs. Als der Skandal 2010 in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen war, legte der Bischof sich in einem Gottesdienst flach auf den Boden seiner Kathedrale. Ein öffentliches Schuldbekenntnis, das keineswegs nur „populistisches Theater“ gewesen sei, wie Kritiker ihm vorwarfen. Vielmehr zeige es Bodes echtes Interesse für die Opfer. Ihm sei es nie darum gegangen, sich und andere kirchliche Verantwortliche reflexartig zu rechtfertigen.
Christof Haverkamp, selbst Osnabrücker und kirchlicher Journalist, porträtiert seinen Bischof als Hirten, der ohne Standesdünkel auskommt, allen zuhört, laut weiterdenkt, experimentiert und dabei eher Versöhner denn Spalter sein will. Die wohlwollende Biografie ist nicht streng chronologisch, sondern nach Themen aufgebaut. Darunter: Ökumene und interreligiöser Dialog, Bode als stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz, die Corona-Pandemie. Auf knapp 200 Seiten kommen 425 Fußnoten, dazu gibt es ein Literaturverzeichnis, eine Zeittafel und ein Namensregister.
An Franz-Josef Bode erkennt man, dass die Kirche mehr ist als ein Schlachtfeld widerstreitender Fronten von Reformern und Bewahrern. Seine Prägung als Kaufmannssohn aus dem urkatholischen Paderborner Land versteckt er auch als Reformer nicht. Eine motivierende Lektüre für religiöse Weiterdenker, die im Stil eines akribisch geführten Protokolls zeigt: Die Kirche bewegt sich doch, nur eben ganz langsam. Jonas Mieves