Es wird Zeit, dass nicht nur die Schulen und Universitäten wieder öffnen, sondern alle Orte, an denen Jugendliche und junge Erwachsene Beziehungen knüpfen, ihre Persönlichkeit entwickeln, ihre Grenzen testen – kurz: ihr Leben leben. Denn je länger die Pandemie dauert und mit ihr der Lockdown und die Isolation, umso alarmierender werden die Signale: Der psychische Zustand junger Menschen wird immer schlechter. „Überall auf der Welt haben sie wirtschaftliche Chancen verloren, traditionelle Meilensteine verpasst und Beziehungen in einer für die Identitätsbildung entscheidenden Zeit eingebüßt“, zählte am vergangenen Wochenende die New York Times auf und bilanziert: „Wir erleben weltweit eine Pandemie der mentalen Gesundheit, die genauso ernst genommen werden sollte wie die Eindämmung des Coronavirus.“
Ein Auszug aus den Ergebnissen verschiedener Studien und Beobachtungen von Experten aus dem letzten Jahr: In den USA hat ein Viertel der 18- bis 24-Jährigen ernsthaft über Suizid nachgedacht. In Lateinamerika und der Karibik haben mehr als ein Viertel Angstzustände und 15 Prozent Depressionen erlebt. In Italien verdoppelte sich die Zahl der Anrufe bei einer Hotline für Jugendliche und junge Erwachsene, die darüber nachgedacht oder versucht haben, sich selbst etwas anzutun. Am Kinderkrankenhaus Bambino Gesù in Rom sind in der zweiten Corona-Welle ein Drittel mehr junge Italiener eingewiesen worden, die sich selbst verletzt oder einen Selbstmordversuch unternommen haben. In Frankreich fühlen sich junge Menschen von allen Altersgruppen psychisch am schlechtesten. Die Liste der Verzweiflung ließe sich fortsetzen.
Natürlich ist es wahr, dass die Corona-Pandemie mit allen Maßnahmen, deren Ende nicht absehbar ist, Existenzen in zahlreichen Altersgruppen und Branchen akut bedroht. Es ist aber notwendig, einen ganz besonderen Blick auf die nachwachsende Generation zu werfen, die gerade jetzt dabei sein sollte, die Weichen für ein gelingendes Erwachsenenleben zu stellen. Diese wertvolle Zeit geht gerade verloren, immer mehr junge Menschen gehen verloren. Was bedeutet das für unser künftiges Zusammenleben?
Die Jugendlichen von heute – geprägt von Isolation, Einsamkeit und Beschränkungen – sind das Rückgrat unserer Gesellschaft und die Entscheider von morgen. Sie sollten im Interesse von uns allen die bestmöglichen Voraussetzungen haben, um sich gut zu entwickeln. Und da reicht es nicht, als Reaktion auf zunehmende Krankheitsbilder mehr in psychische Behandlungsmöglichkeiten junger Menschen zu investieren. Ob in Schule oder Universität, Sportverein oder katholischer Jugendgruppe: Sie brauchen ihr Leben zurück.