Christentum in IndienDie neuen „Unberührbaren“

Christliche Minderheiten dürfen nicht fürs Parlament kandidieren, Priester werden verhaftet und Schulkinder müssen Hindu-Götter anbeten. Die hindu-nationalistische Regierung in Indien höhlt die säkulare Verfassung immer weiter aus.

Indien nennt sich gern die „größte Demokratie der Welt“, aber die aktuellen Entwicklungen spotten jedem demokratischen Anspruch. Premierminister Narendra Modi hält trotz aller Proteste daran fest, dass Christen und Muslime, die den Dalit, der untersten Stufe des indischen Kastensystems, angehören, nicht für einen Sitz im Parlament kandidieren dürfen.

Schätzungen zufolge betrifft dieses Verbot bis zu 80 Prozent der indischen Christen – insgesamt 24 Millionen Personen. „Wenn es keinen breiten politischen Konsens gibt, ist es nicht möglich, die historische Ungerechtigkeit rückgängig zu machen“, warnt Sarat Chandra Nayak, der Bischof des ostindischen Berhampur. Obwohl das Kastensystem offiziell seit über 70 Jahren abgeschafft ist, wirkt es weiterhin in den Alltag der Bürger hinein und wird als Begründung herangezogen, ihnen grundlegende demokratische Rechte vorzuenthalten.

Christen sind „unindisch“

Dabei wird immer deutlicher, dass es der Regierung nicht in erster Linie um die Kaste, sondern um religiöse Diskriminierung geht. In den letzten Jahrzehnten wurden immer wieder Sonderregelungen und Förderprogramme erdacht, die Hindu-Dalits eine normale Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen soll. Auch Buddhisten und Sikhs aus der untersten Kaste sind weitgehend rechtlich gleichgestellt. Nur die von vielen als „unindisch“ gesehenen Christen und Muslime bleiben außen vor. Die Entscheidung der Regierung ist nur der letzte in einer Reihe von Schritten, um die religiösen Minderheiten gesellschaftlich an den Rand – oder direkt aus dem Land – zu drängen.

Gegen die Verfassung

Muslimen, die seit Jahrzehnten in Indien leben, wird über Nacht die Staatsbürgerschaft aberkannt. Im Bundesstaat Guajarat sollen Schulkinder verpflichtet werden, zu hohen Feiertagen hinduistische Götter anzubeten. Und Kirchenleute, die sich für ein friedliches Nebeneinander einsetzen, landen auf der Liste der Staatsfeinde.

All das sollte nach der indischen Verfassung nicht möglich sein. Darin wird nicht nur die Religionsfreiheit garantiert, sondern Indien verpflichtet sich, als säkularer Staat zum friedlichen religiösen Pluralismus beizutragen und niemanden aus Glaubensgründen auszuschließen. Die Politik von Premierminister Modi verstößt systematisch gegen diesen Grundsatz. Doch es gibt eine Instanz, die ihm zeigen könnte, dass auch er nicht über dem Gesetz steht: Der Oberste Gerichtshof könnte einschreiten und jede religiöse Diskriminierung beenden. Das Wahlrecht von Dalit-Christen und -Muslimen anzuerkennen, wäre hier ein wichtiger symbolischer Schritt. Das sei aber nicht sehr wahrscheinlich, befürchtet Bischof Nayak.

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