Gottes vergebende Liebe
Im Beitrag „Erinnern und Vergessen“ (CIG Nr. 51/2021, S. 2) spricht Johannes Röser die Unbegreiflichkeit Gottes an, gerade auch im Zusammenhang mit dem unendlichen Leid in der Welt. Das ist eine Frage, die sich Menschen schon immer stellen: Wird Gott nicht nur den Tätern, sondern auch den Opfern gerecht (in unserer kirchlichen Bußpraxis haben wir ja oft nur die Täter gesehen)?
Ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass Gott alles „durchgehen“ lässt. Wenn er den Tätern einfach vergeben würde, dann wären die Opfer ja noch einmal verhöhnt, und dieses Mal endgültig. Dann wäre es ja im Grunde gleichgültig, wie wir auf Erden leben. So billig ist Vergebung nicht. Aber nicht, weil Gott unerbittlich auf Strafe besteht, sondern weil er uns absolut ernst nimmt, viel ernster, als wir uns selbst nehmen. Und weil er das Leid sieht, das wir einander antun, und vor allem: weil er es im Innersten überwinden will.
Ich stelle es mir (sehr irdisch gedacht) so vor: Im Gericht Gottes werde ich allen Menschen begegnen, denen ich Unrecht getan habe. Und ich werde, im Licht der Liebe Gottes, in meinem tiefsten Inneren erfahren, was ich anderen angetan habe, ihr Leid wird zu meinem Leid werden. Und ich kann dann nur bitten und hoffen, dass mir vergeben wird, dass der andere mir vergibt.
Nur was im Innersten angenommen ist, kann auch im Innersten geheilt werden. Alles andere wäre oberflächlich und Gottes unwürdig. Gott kann mich nicht über meinen Kopf und über mein Herz hinweg heilen. Er will mich in der Tiefe heilen. Und ich muss mitwirken. Ein schmerzhafter Prozess (man kann es „Fegfeuer“ nennen), aber ein notwendiger Prozess, der im Feuer der Liebe Gottes geschieht.
Hier kommt zum Zug, was wir in diesen Weihnachtstagen feiern: Gott steht gerade nicht jenseits unseres Lebens. Erst recht steht er nicht jenseits des unendlichen Leidens in seiner Schöpfung, sondern er geht in seine Schöpfung ein, wird Mensch, nimmt unser Leben an. In seinem Tod trägt er all das Leiden, alle Schuld dieser Welt, er leidet sie aus bis in die letzten Tiefen, und so ist uns die Möglichkeit geschenkt, alle Schuld zu überwinden.
Schon jetzt kann ich versuchen, seine vergebende Liebe anzunehmen und selbst zu üben, so schwach ich auch bin. Und in der Ewigkeit wird er es sein, der mir endgültig vergibt, der auch allen, an denen ich schuldig geworden bin, die Kraft gibt, zu vergeben, und auch mir die Kraft gibt, das zu vergeben, was andere an mir schuldig geworden sind. So kann Schuld zur „seligen Schuld“ werden. Nicht umsonst trägt ja der Auferstandene die Wunden, seine verklärten Wunden: die Zeichen, dass er selbst alles Leid trägt und in seiner Liebe überwindet.
Bernhard Weber, Bühl
Wie Soldaten würdigen?
Danke für den Beitrag von Schwester Paulina Kleinsteuber (vgl. „Solche Entscheidungen wünscht man keinem“ in CIG Nr. 49/2021, S. 4). Sie hat mir damit aus der Seele gesprochen! Alle Soldaten, die im Einsatz waren, verdienen einen Großen Zapfenstreich – sei es, dass sie gesund an Leib und Seele zurückgekommen sind, sei es, dass sie körperlich wie seelisch verletzt sind, oder noch schlimmer, dass sie tot zurückkehrten. Sie alle waren bereit, für ihr Land im Einsatz zu sterben.
Wie schwer die Entscheidungen über den Einsatz zum Waffengebrauch sind, kann ein Außenstehender nicht ermessen. Auch nicht erahnen kann man, was dieses Entscheidungsdilemma mit dem einzelnen Soldaten machen wird, wie er/sie ein Leben lang daran erinnert wird, wenn er/sie von den Folgen erfährt.
Die Gedanken von Schwester Paulina gerade zum Abschluss „Helm ab zum Gebet“ zeigen deutlich, wie die Soldatinnen und Soldaten – unbewaffnet, ehrfürchtig – sich an die Macht erinnern, die alles lenkt und in deren Hand wir alle sind.
Maria-Theresia Niggl, Neusäß
Schwester Paulina weist zu Recht auf ein vielfältiges, ethisches Dilemma hin. Ob aber die in kriegerischen Auseinandersetzungen Getöteten nur mit einem Großen Zapfenstreich gewürdigt werden sollen, erscheint mir fraglich. Kann es nicht auch andere ehrende Formen geben? Die pseudoreligiöse Zelebrierung aus der Tradition der militärischen Kaiserzeit und des verbrecherischen Hitlerreichs befremden je länger, je mehr. Ungewollt stellen sich Gedankenverbindungen und historische Bildverknüpfungen ein.
Man kann es deuten, wie man will: Es bleibt ein uns Heutigen fremd gewordener Paukenschlag von zum Glück überwundenen Epochen, eine pompöse Selbstdarstellung eines aufgeblasenen Selbstverständnisses – mag man noch so sehr die Einbettung der Bundeswehr in den demokratischen Staat beschwören. Eine andere, einfühlsamere und Trauer tragende Gedenkkultur wäre höchst notwendig.
Adolf Hochmuth, Treuchtlingen
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