Der KriegPutins Patriarch

Der Krieg gegen die Ukraine hat viele Facetten. Eine wird kaum beachtet.

Putin ist tatsächlich ein Massenmörder, ein Irrer. Die Dialektik der Aufklärung bestätigt sich wieder einmal, nachdem man gemeint hatte, dass das abgründig Wahnhafte, das teuflisch Böse als kollektives Ereignis in einem posthistorischen rationalen Zeitalter verschwunden sei. Das Ende der Geschichte war durch Francis Fukuyama nach 1990 angekündigt. Seine Prognose: Wir gleiten global allmählich hinein in ein Reich liberaler Demokratien. Das „Ende“ könnte sich jetzt ganz im Gegenteil als blanker Schrecken erweisen. Schon droht Moskau atomar.

Die Männer

Und Putins Schergen? Angeblich sind das doch alles „gestandene Männer“. Davon haben sie in ihrer Unterwürfigkeit nichts gezeigt. Sogar der russische orthodoxe Patriarch Kyrill ist nicht Manns genug, die Aggression gegen seine orthodoxen Glaubensgeschwister zu verurteilen und bei Putin zu intervenieren, wozu ihn der oberste Metropolit seines Patriarchats in der Ukraine eindringlich aufgefordert hat. Kyrill klärt nicht einmal sein „kanonisches Territorium“ auf, für das er die oberste Hirtensorge mit der Friedensbotschaft Christi trägt. Stattdessen verurteilt er die ukrainischen Soldaten als „Kräfte des Bösen“. Dabei leiden alle im selben Leib Christi, nicht nur die Opfer westlich, sondern ebenso Familien östlich, deren Männer und Söhne in einen absurden Kampf geschickt sind.

Putins „religiöse“ Anspielungen werden kaum beachtet. Sie sind jedoch eine nicht zu unterschätzende Facette in diesem Krieg. Mehrfach erklärte er, die Orthodoxie schützen zu wollen. Seine kruden Bemerkungen zum Genozid stehen in diesem Zusammenhang. In der Vergangenheit hatte sich Putin öffentlich rituell als orthodoxer „Frommer“ gezeigt, womöglich nur machtpolitisch inszeniert. Vielleicht hängt sein Wahn, das mittelalterliche orthodoxe, politische Reich der 988 unter dem „apostelgleichen“ Großfürsten Wladimir getauften Rus wiederherstellen zu wollen, aber mit solchen Gedankenverbindungen zusammen.

Quasi-sakraler Messianismus?

Der westliche Kulturkreis versteht das nicht. Putin benutzt daher wohl säkulare Pseudoargumente, sich gegen die Nato verteidigen zu müssen. Er stellt abwegige Behauptungen auf, gegen Unmoral zu Felde zu ziehen, gegen Kiews Korruption und Oligarchentum, was es im eigenen Hoheitsgebiet genauso gibt. Fühlt sich Putin quasi-sakral berufen, „apostelgleich“ messianisch ermächtigt, im Namen des „Dritten Rom“ per Reconquista – Rückeroberung – die Reinheit der Orthodoxie im Ursprungsgebiet gegen Sittenverfall wiederherstellen zu müssen? Sein grausamer „dschihadistischer“ Fanatismus lässt mehr ahnen als nur Furcht vor demokratischem Vordringen. Putin hasst alles Liberale. Es ist für ihn pure Unmoral. Hier trifft er sich mit seinem Patriarchen und dessen Botschaften. Und Kyrill selber – ist er nur feige? Leider sehen wir bitter-traurig: Sein historisches Versagen ist eine Schande für unser gemeinsames Christsein in West und Ost.

Christ in der Gegenwart im Abo

Unsere Wochenzeitschrift bietet Ihnen Nachrichten und Berichte über aktuelle Ereignisse aus christlicher Perspektive, Analysen geistiger, politischer und religiöser Entwicklungen sowie Anregungen für ein modernes christliches Leben.

Zum Kennenlernen: 4 Wochen gratis

Jetzt testen