In letzter Konsequenz bedeutet Jünger Jesu zu sein, ganz im Heute Gottes zu leben... Nostalgie für eine längst vergangene Zeit oder das Klammern an erlittene Verletzungen oder auch eine Fixierung auf Träume oder Ängste vor der Zukunft entfremden uns von der Gegenwart und machen uns untauglich für das Reich Gottes, das nur im Hier und Jetzt zu uns kommt. Gott ist das ewige Jetzt, hat Paul Tillich gesagt, und die Erfüllung all unserer Sehnsüchte ist nichts anderes als Realpräsenz, die wirkliche Anwesenheit des Göttlichen.
Dabei ist es nicht Gott, der abwesend wäre, sondern leider sind wir es, die wir ständig achtlos, abgelenkt und gedankenlos leben. Wären wir dazu in der Lage, uns völlig auf die Gegenwart zu konzentrieren, würden wir entdecken, dass wir alle wie irrsinnig überall nach etwas suchen, das doch direkt vor uns liegt, und näher bei uns ist als wir selbst.
Frère John, Taizé, in: „Metanoia“ (Verlag Herder, Freiburg 2022)