Wer den Ukraine-Krieg verfolgt, lernt schnell in großen Zahlen zu denken. Wie viele russische Soldaten sind bereits gefallen? 12 000 vermelden die einen, andere erhöhen auf über 15 000. Der Journalist Kilian Trotier bemerkt, wie ihn diese Meldungen abstumpfen lassen. „Darf ich im Krieg mitfiebern?“, fragt er sich in der Zeit. Darf man hoffen, dass die Verluste auf russischer Seite möglichst hoch sind?
Diese Kriegslogik der großen Zahlen ist kein neues Phänomen – schon in der Bibel ist der Tod eines Einzelnen eine Tragödie, aber wenn Tausende sterben, darf gefeiert werden. Als Simson einen Palast zum Einsturz bringt, heißt es anerkenned, dass „die Zahl derer, die er bei seinem Tod tötete, größer war als die, die er während seines Lebens getötet hatte“ (Ri 16,30). „Saul hat tausend erschlagen, aber David zehntausend“, freut sich das Volk im 1. Buch Samuel (18,7). Und bei Jesaja vernichtet ein einzelner Engel 185 000 Soldaten (vgl. Jes 37,36). Solche Texte sollten uns heute eine Warnung sein, wie schnell man im Rausch der Zahlen den einzelnen Menschen aus dem Blick verlieren kann.