Für die Freiheit hat uns Christus frei gemacht. So verdichtet der Autor des Galaterbriefs sein frohes österliches Bekenntnis. In Christus sind wir nicht mehr Sklaven unter dem Gesetz, sondern „Kinder der Verheißung“. Das versteht Paulus unter Christsein, Kirchesein. Er war kein Träumer, sondern Realist. Er wusste um die Streitsucht, die Irrlehren und ewigen Sünden des Menschseins selbst in der Gemeinschaft der Frömmsten. Daher scheute er nicht heftigste Mahnungen zum Lebenswandel und zur Lehre. Bei ihm lässt sich christlicher Freimut lernen wider die Resignation, wider das ständige kirchliche Jammern, wider die Verzweiflung als „Krankheit zum Tode“ (Sören Kierkegaard).
Meine Priesterin, mein Priester
Aus solcher Geisteskraft hat sich die Kirche unaufhörlich erneuert als stets unfertige Gemeinschaft von Leuten, die um den Glauben ringen. Kein Haben, sondern Sein im Werden. Leben eben. Noch so schwere Sünden am und im „Leib Christi“ haben nicht verhindert, die Hoffnung von Generation zu Generation wachzuhalten, den Glaubenssinn des Volkes Gottes zu wecken. Für unsere Ahnen war es unwichtig, wer gerade als Papst, Bischof, Pfarrer oder bedeutender Theologe wirkte. Diese kommen und gehen. Christus bleibt. Mein Trost, meine Sehnsucht, meine Freude. Meine entscheidende Priesterin war keine Klerikerin, sondern meine Mutter, mein entscheidender Priester kein Kleriker, sondern mein Vater. Glücklich die Vielen, die das ähnlich von sich sagen können. Weil die Ahnen Kirche waren, sind wir Kirche, bin ich Kirche. Momentan richten sich aller Augen obsessiv fixiert auf Amtsträger beziehungsweise die – wie es heißt – „Institution“, begleitet von Vorwürfen, Wünschen, Forderungen. Dabei ist die so adressierte „Kirche“ Vakuum, Fiktion. Denn wären wir nicht, wäre Kirche nichts. Warum nur sind wir so provinziell, kleingläubig, dass wir infantil alles von oben und draußen erwarten, von irgendeiner Helikopter-Papa-und-Mama-Kirche?
Christsein mit Selbstbewusstsein
Der Engführung auf Institutionelles, verbunden mit Kirchenaustritts-Gedankenspielen, könnte mehr religiöses Selbstbewusstsein entgegenwirken. Wir haben Paulus vergessen. Sonst würden wir uns nicht unter das Gesetz sklavischen Klagens stellen. Nochmal: Für die Freiheit hat uns Christus frei gemacht. Daraus wächst Christsein als wahres Kirchesein. Wir sind wir! – dank der Taufe, dank der uns geschenkten Geisteskraft unseres gemeinsamen Glaubenssinns sowie der Vorfahren. In diesem Bewusstsein voller Selbstbewusstsein könnten wir gern frohgemut das alte eucharistische Lied in seiner ursprünglichen und nicht weichgespülten, gezähmten Fassung wieder mal anstimmen: „Fest soll mein Taufbund immer stehn, ich will die Kirche hören! Sie soll mich allzeit gläubig sehn und folgsam ihren Lehren! Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad in seine Kirch berufen hat, nie will ich von ihr weichen!“ So kann unsere Seele – wie es weiter heißt – Christus genießen. Meine Heimat. Es gibt nichts Besseres.