Durch den Tod zum LebenKirche auf dem Kreuzweg

Manchmal muss man ganz unten ankommen, bevor es aufwärtsgeht. Was für Jesus galt, könnte 2000 Jahre später auch für seine Kirche zutreffen.

Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,6–9). In seinem Philipperhymnus greift Paulus vermutlich ein urchristliches Lied auf. Jesus ist aus dem Himmel auf die Erde herabgekommen, hat sich in einem kenotischen Akt seiner Gottesgestalt entäußert (gr. kenosis: Entleerung, Entäußerung) und Menschengestalt angenommen, um auf diese Weise den Menschen nahe sein zu können. Diese bewusste Entsakralisierung und Selbstentmachtung findet am Karfreitag in seinem Tod am Kreuz einen radikalen Abschluss. Mehr Gottesferne und mehr Menschennähe ist kaum vorstellbar.

Hoffnung in schweren Zeiten

Aber genau dieses finsterste Tal, diese tiefste Krise wird zum ultimativen Wendepunkt. Denn Jesus besiegt den Tod, ersteht auf und kehrt schließlich in den Himmel zurück. Die totale Erniedrigung wandelt sich in eine unüberbietbare Erhöhung. Allerdings wäre Letzteres ohne Ersteres nicht möglich gewesen: Ohne Jesu Selbstentäußerung und Sklaventod hätte es keine Auferstehung gegeben – oder wie Paulus schreibt: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht“ (2,9).

Paulus zitiert den Hymnus in seinem Brief an die Philipper, um die vom Machtgebaren ihrer Umwelt bedrängten Christen zu bestärken. Mit seinem Rekurs auf die bewusste Selbsterniedrigung und die darauffolgende Erhöhung Christi möchte er der Gemeinschaft zeigen, dass Gott gerade den Schwachen und Gedemütigten ganz besonders verbunden ist, und er will sie ermutigen, Jesus in seinem Macht- und Statusverzicht und in seiner Demut nachzueifern: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“ (2,5).

Eine Botschaft an uns

Fast 2000 Jahre nach Paulus’ Brief an die Philipper wünschte ich, er würde ein ähnliches mahnendes wie ermutigendes Schreiben an die katholische Kirche oder besser: einen Hirtenbrief an die Bischöfe senden und sie daran erinnern, dass ein schonungsloses Durchwandern der eigenen Abgründe, eine klare Option für die Erniedrigten und Verwundeten, ein demütiger Machtverzicht sowie eine bewusste und aktive Entsakralisierung nicht nur evangeliumsgemäß sind, sondern darüber hinaus auch einen unumgänglichen Weg aus der gegenwärtigen kirchlichen Krise darstellen. Nur wenn die Kirche kenotisch und in Demut ihren (Schein-)Heiligenschein ablegt, den Menschen wieder nahekommt und den notwendigen schmerzhaften Kreuzweg auf sich nimmt, dann kann sie mehr Raum für Gottes Wirken schaffen – und auf eine Auferstehung hoffen.

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