vom wesen der liturgie
Das Spiel mit dem Sakralen
Wie sich der Dialog von Gott und Mensch ereignen kann.
Der Titel lässt einen spontan an die Passionsspiele in Oberammergau denken, die dieses Jahr zum 42. Mal stattfinden. Doch das, was die Autorinnen und Autoren dieses Bandes behandeln, verweist auf andere Jubiläen: Vor mehr als hundert Jahren erschien Romano Guardinis Schrift „Vom Geist der Liturgie“ (1918), wenig später „Liturgische Bildung“ (1923) und „Von heiligen Zeichen“ (1927). In der Zeit des Auf- und Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg war Guardini eine prägende Gestalt als Theologe, Philosoph und Jugendseelsorger. Ein Grundgedanke seiner Überlegungen zum Wesen der Liturgie war, sie als zweckfreies Spiel vor Gott zu begreifen, lange bevor Johan Huizingas „Homo ludens“ oder Hugo Rahners „Der spielende Mensch“ erschienen waren. Die hier veröffentlichte Sammlung von Aufsätzen zum „heiligen Spiel“ erwuchs aus einem interdisziplinären Gespräch zwischen der Sozial- und Kulturwissenschaft, der katholischen Liturgiewissenschaft und der evangelischen Praktischen Theologie über den Homo ludens religiosus.
Der Band eröffnet vielfältige Perspektiven auf das Spiel mit dem Heiligen. Dabei kommt dem Beitrag der Religionsphilosophin Hanna Barbara Gerl-Falkovitz zur Anthropologie der Liturgie („Leibhaftiges Spiel“) grundlegende Bedeutung zu. Die Autorin interpretiert tiefschürfend, und doch gut verständlich die liturgischen Schriften Guardinis, und bezieht neben dessen „Gegensatz-Denken“ auch einen wenig bekannten Aufsatz von ihm über das gemeinschaftliche Beten mit ein. Für Guardini wird Liturgie „zum leibhaften Spiel dessen, was den Menschen zutiefst angeht und wofür er anderenorts keine Sprache hat“.
In den zahlreichen weiteren Beiträgen suchen die Autoren vor allem nach den materiellen Spuren des Umgangs mit dem Heiligen. Sie fragen, wie das kirchliche Fest in den Alltag ausstrahlt und wie das sakrale Geschehen das profane Leben beeinflusst. Deshalb kommt der Vermittlung religiöser Inhalte an Kinder eine zentrale Rolle zu. „Messe spielen“ und Spielmaterial wie etwa Egli-Figuren für die Darstellung biblischer Inhalte – oder des Lebens Luthers in der evangelischen Tradition – kommen bis heute zum Einsatz.
Geistliche Spiele haben aber eine lange Tradition schon seit dem Mittelalter. In neuerer Zeit ist die Jugendbewegung des letzten Jahrhunderts eine Fundgrube, wie Klaus Raschzok anschaulich darstellt. Unter der Überschrift „Formationen“ werden schlussendlich verschiedene Facetten des heiligen Spiels von der barockzeitlichen Osterfeier über den Krippenbau bis hin zum Puppenspiel und zeitgenössischer Kunst entfaltet. CIG
jürgen bärsch, christel köhle-hezinger, klaus raschzok (hg.):
heilige spiele
Formen und Gestalten des spielerischen Umgangs mit dem Sakralen
Pustet Verlag, Regensburg 2022,
368 Seiten; 39,95 €
helmut jaschke
Dr. theol. ist Professor für Religionspädagogik und therapeutischer Begleiter in Karlsruhe.