CHRIST IN DER GEGENWART: An Pfingsten feiern wir das Fest des Heiligen Geistes. Der ist für viele Gläubige schwerer fassbar als Gott-Vater oder Jesus.
Thomas Schwartz: Es ist tatsächlich wesentlich einfacher, über Jesus Christus zu sprechen, weil so viele seiner Worte überliefert sind. Der Heilige Geist entzieht sich uns, weil er keine Gestalt hat und weil wir auch nicht immer nur an die Taube denken wollen. Aussagen über den Heiligen Geist sind schwierig. Man kann ihn nicht beschreiben, aber man kann ihn erfahren. Man kann ihm keine Gestalt geben, außer die, die er in den Menschen annimmt. Die Bibel spricht von ihm als ruach. Das wird oft mit Geistkraft übersetzt und steht für die Kraft der Liebe, die Kraft der Kommunikation.
Manchmal scheint der Geist hinter den anderen Personen der Dreifaltigkeit zu verschwinden. Wie lässt sich das ändern?
Ich habe einmal in meiner Gemeinde die Frage gestellt: Was ist für Sie der Heilige Geist? Nehmen Sie sich mal drei, vier Minuten Zeit und reden mit Ihrem Nachbarn darüber, was für Sie der Heilige Geist ist. Wie man sich vorstellen kann – zunächst herrschte absolute Stille. Die Leute waren erschrocken. Aber ich habe das ausgehalten. Und auf einmal fing es an zu wispern, dann wurde es lauter und dann haben alle angefangen zu reden, die Kirche wurde immer lauter.
„Der Heilige Geist schreibt Geschichte.“
Genau das ist Heiliger Geist. Er ist es, der Gemeinschaft schafft – Gespräch ermöglicht. Der ein Sprachenwunder bewirkt. Der dafür sorgt, dass die Menschen sich verstehen können. Wo der Mund sich öffnet, und Erzählen möglich wird. All das ist Heiliger Geist. Wenn man ihn empfängt, ist man Feuer und Flamme für Gott und für die Botschaft, die dieser Gott für uns hat.
Wo ein Gespräch gelingt, ist der Heilige Geist anwesend?
Dort, wo gegen alle Hoffnung wieder Verständigung möglich ist, wo ein Geist der Verständigung Einzug hält – da ist Heiliger Geist für mich. Damit ist der Geist auch etwas, das Geschichte mit den Menschen schreiben kann, und diese Geschichte wird dann irgendwann zu einer frohen Botschaft. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das auch eine politische Dimension hat. Natürlich – in der aktuellen Lage in Europa muss man wirklich unglaublich viel Vertrauen in den Heiligen Geist haben, um daran zu glauben, dass alles gut wird. Aber allein die Tatsache, dass Menschen in einer solch schrecklichen Situation überhaupt um Frieden beten können, ist ein Zeichen, dass der Geist wirkt. Dass es diesen Drang gibt, nicht nach Rache und Vergeltung zu schreien, sondern zu überlegen, wie irgendwann Versöhnung möglich werden kann. Leider kann sich der Mensch dem aber auch verschließen. Der Geist weht zwar, wo er will, aber er tut es nicht ohne den Menschen.
Wie lädt man den Heiligen Geist in sein Leben ein?
Die Pfingstsequenz steht im Gotteslob und eignet sich eigentlich sehr gut als tägliches Gebet – so wie man einmal am Tag das Vaterunser beten kann. Komm, Heiliger Geist! Das kann man sprechen, im Bewusstsein, dass er Leben, Liebe und Versöhnung schafft. Hier passt das biblische Bild von der Taube sehr gut: Denken Sie an die Arche Noah, wo eine Taube den Ölzweig bringt. Sie überbringt die gute Nachricht und ist danach wieder fort. Man kann sie nicht festhalten, aber man kann gewiss sein, dass sie immer zu ihrem Taubenschlag zurückfindet. Auch der Heilige Geist zeigt uns den Weg zurück – zurück zu dem, den wir Vater nennen.
Im Alltag erkennen wir ihn in den sieben Gaben des Heiligen Geistes, die schon bei Jesaja aufgelistet sind: Weisheit, Einsicht, Rat, Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Er kommt in seinen Wirkungen zum Tragen. An diesen Gaben kann man die Wirksamkeit des Geistes wahrnehmen. Auch die Kirche muss dafür immer offen bleiben: Was ist geistgewirkt, was da an Neuem kommt? Dabei macht er uns auch mal Feuer unterm Hintern.
Manche würden sagen, dass dieses Feuer in den Machtstrukturen der katholischen Kirche abhandengekommen ist.
So würde ich das nicht sagen. Immer dort, wo man anfängt, die Kirche nur noch düster zu sehen, wo man keine Hoffnung mehr hat, dass sich etwas ändern wird – da ist der Geist Gottes nicht anwesend. Bei allem notwendigen Drängen und Bemühen um Wandel muss es möglich sein, im Gespräch zu bleiben und offen für die Perspektive des anderen, der davor noch Angst hat oder aus anderen Gründen zurückhaltend ist.
Das kommt mir in den aktuellen Debatten leider manchmal zu kurz. Man muss auch Geduld haben. Es ist gut, wenn Menschen neue Ideen haben und Aufbrüche wagen, aber der Heilige Geist schafft zu seiner Zeit, was der Welt Heil bringt. Und er ist auch ein Tröster. Einer, der Resilienz schafft – das ist ja ein Wort, das heute ständig gebracht wird. Der Geist sagt: Mach dir keine Sorgen, wenn du nicht alles durchsetzen kannst, was du dir wünscht. Du hast diesen Traum von mir geschenkt bekommen. Aber wir müssen uns erst auf diese Welt zubewegen. Das Gute wird sich schon durchsetzen. Dort, wo hoffnungsvoll gerungen wird, ist Gottes Geist da. Und der macht Mut, auch wenn manchmal scheinbar nichts vorangeht.
Im Matthäus-Evangelium heißt es, dass die „Lästerung gegen den Geist“ die einzige Sünde ist, die nicht vergeben wird. Was ist damit gemeint?
Für mich bedeutet das, dass man einem Menschen – wer er auch immer sei – abspricht, dass Gott ihn bejaht. Wer andere nicht mehr als Mitmenschen und Mitgeschöpfe sieht, der begeht eine unvergebbare Sünde. Das Erste, was Gott in der Schöpfungsgeschichte sagt, ist: Es ist gut, dass es dich gibt. Wo man einem Menschen oder einer Gruppe das abspricht, da versündigt man sich gegen den Heiligen Geist, da begeht man Gotteslästerung.