Fragen an Juliane Eckstein, Alttestamentlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der PTH Sankt Georgen sowie an der JGU Mainz.
Was ist Ihr Lieblingsort?
Der Albaicín in Granada und Granada überhaupt.
Woran forschen Sie gerade?
Ich erforsche, wie das Jesajabuch den Zusammenhang von Fruchtbarkeit und Göttlichkeit konzipiert, wie dies mit der Polemik gegen Fremdgottheiten und andere Kultorte zusammenhängt und wie sich diese Konzeptionen und Zusammenhänge in verschiedenen Entstehungsphasen des Buches verändern.
Mit welcher Person aus Gegenwart oder Geschichte würden Sie gern einmal diskutieren? Und worüber?
Mit Christinnen in der Antike. Mit all den Märtyrerinnen. Es würde mich wirklich interessieren, was sie motiviert hat und wie sie ihre Rolle als Frauen in der frühen Kirche wahrgenommen haben.
Meine aufregendste Bibelstelle…
…so viele. Vielleicht Ijob 38–41. Wie JHWH mit Ijob redet – nach all dem Leid und nach all den harschen Anklagen. Wie JHWH darauf kein bisschen eingeht und Ijob trotzdem getröstet ist. Bis heute zerbricht sich die Exegese den Kopf darüber, was es mit diesen Kapiteln auf sich hat, und kommt an kein Ende.
Mein „Herzens“-Gebet…
Die Psalmen. Gregorianisch, als Kirchenlied, als Popsong. Egal. Hauptsache Psalmen.
Was ist für Sie das drängendste theologische Problem der Gegenwart?
Auf nicht peinliche Weise über Gott sprechen. Eine Sprache zu finden, in der intellektuell redlich theologische Sachverhalte besprochen werden können und gleichzeitig Gott als Möglichkeit und Wirklichkeit anklingt. Wir Theologinnen und Theologen befürchten oft, als nicht wissenschaftlich genug zu gelten, wenn wir zu selbstverständlich von Gott sprechen. In privaten Gesprächen kommt unser Glaube kraftvoll zum Vorschein. Das ändert sich leider meist, sobald wir den privaten Raum verlassen.
Welchen Atheisten schätzen Sie?
Einen atheistischen Bekannten aus Jugendtagen, der mir gezeigt hat, wie Christsein praktisch geht. Der einem Bettler Geld gab und ihn anflehte, es nicht in Alkohol umzusetzen. Dessen Begleiterin sich daraufhin über ihn lustig machte: Der Bettler würde sich doch sowieso gleich wieder Alkohol kaufen. Woraufhin mein Bekannter nur antwortete, er könne diesen armen Menschen doch nicht einfach abweisen. Eine simple Szene, die mir im Gedächtnis geblieben ist.
Wann waren Sie zuletzt im Kino? In welchem Film?
2021 im Open-Air-Kino: Fabian. Wenn Sie aber wissen wollen, welchen Film ich zuletzt gesehen habe, dann war es Love, Simon. Die letzte Serie, die ich zu schauen begonnen habe, war Diener des Volkes auf Arte: Wolodymyr Selenskyj spielt einen Lehrer, der überraschend zum Präsidenten gewählt wird. Eine wunderbare Parabel auf korrupte Systeme und deren Reformierbarkeit.
Und im Theater?
Das ist schon lange her. Vielleicht im Sommernachtstraum? Früher war ich oft und gern im Theater. Aber leider ist diese Gewohnheit eingeschlafen.
Wer ist Ihr Lieblingsdichter oder -schriftsteller?
Ich kann eher Bücher nennen, die mir nachhaltig im Gedächtnis geblieben sind: Middlesex von Jeffrey Eugenides, Die Mittagsfrau von Julia Franck, Eleven von Mark Watson, Der Name der Rose von Umberto Eco, Kafka am Strand von Haruki Murakami, Nazarín von Benito Pérez Galdós, Jane Eyre von Charlotte Brontë, Als wir träumten von Clemens Meyer und viele mehr. Zudem habe ich eine große Freude an Legenden, Märchen, Fabeln, deren Urheberinnen und Urheber zumeist unbekannt sind. Genauso wie bei biblischen Texten.
Welche Musik hören Sie gern?
Meine Langzeit-Lieblingsbands sind Tocotronic, Placebo, Muse, Bright Eyes, Villagers und Slut. Zudem nehme ich aus jeder Lebensphase Lieblingsmusik mit: Punk aus meiner Jugend; aus Spanien Flamenco und die Begleitmärsche der Semana Santa; Fado aus Portugal, zum Beispiel von Mariza; Britpop aus England; Louise Attaque, Raphaël, Bénabar und Zaz aus Frankreich; Kayah aus Polen; The Tractor’s Revenge aus Israel; Okean Elzy aus der Ukraine; Lózy Hólcy aus der sorbischen Lausitz.
Welches nicht-theologische Buch lesen Sie zurzeit?
Wie man seine Sprache hassen lernt von Martin Walde. Eine Abhandlung über die Geschichte des deutsch-sorbischen Verhältnisses. Ein Augenöffner für die noch weitgehend unbekannte Geschichte des deutschen Kolonialismus auf heutigem deutschen Staatsgebiet.
Und welches theologische Werk?
Vor allem Kommentarliteratur zum Jesajabuch. Und The Valediction of Moses von Idan Dershowitz für ein Seminar, das ich derzeit anbiete.
Wer ist Ihr theologisches Vorbild?
Die biblischen Prophetinnen und Propheten, Erich Zenger, viele Theologinnen von Agenda.
Welcher Kirchenbau, welcher Kirchenraum gefällt Ihnen am besten?
Mir hat St. Christophorus in Westerland auf Sylt gut gefallen. Im Grunde bin ich aber anspruchslos, was Kirchenräume anbelangt. Solange die richtige Atmosphäre herrscht, kann ich gut ins Gebet finden. Die schönsten Gottesdienste meines Lebens habe ich sowieso im Freien gefeiert.
Was und wo war Ihr schönstes Gottesdiensterlebnis?
In der Negev-Wüste, am Rande des Makhtesh Gadol. Nach einem gemeinsamen Ausflug, ganz simpel, auf einem Berg, mit einem weiten Blick über die Wüste.
Wovor haben Sie Angst?
Vor den weiteren Folgen des Klimawandels und vor dem, was unsere Kinder erwartet.
Worauf freuen Sie sich?
Auf den Himmel. Und ganz irdisch: auf jeden Geburtstag. Er ist immer ein Anlass zum Feiern und bedeutet ein weiteres geschenktes Jahr auf Erden, das manch andere nicht erleben durften und für das ich sehr dankbar bin.
Vielen Dank für Ihre Antworten.