Wie gut, dass es nun neben der längst bewährten Taschenbuchausgabe auch diese leserfreundlichere Cover-Ausgabe gibt. Denn wie diese junge jüdische Niederländerin binnen kürzester Zeit und in tödlichen Nazizeiten zu einer selbstbewussten Frau wurde, sucht seinesgleichen. Und wie sie dabei – kaum religiös erzogen – Gott findet und darin eine kraftvolle Zuversicht trotz allem, das macht ihre Tagebücher zu einem spirituellen Dokument besonderer Güte. Es gehört zu den auffallend zahlreichen Zeugnissen schon des letzten Jahrhunderts, dem Mysterium der Ohnmacht göttlicher Liebe standzuhalten und just dafür helfend Verantwortung zu übernehmen. Gerade deshalb freilich befremdet, dass es hier bei einem bloßen Reprint bleibt: Im vollen Umfang sind die Tagebücher von Esther Hillesum auch fast 80 Jahre nach ihrer Ermordung in Auschwitz noch nicht auf Deutsch zugänglich – und das, obwohl diese beeindruckende Zeugin konkreter Mitmenschlichkeit hierzulande endlich immer mehr entdeckt wird.
ETTY HILLESUM: DAS DENKENDE HERZ DER BARACKE. Die Tagebücher von Etty Hillesum 1941–1943. Verlag Herder, Freiburg 2022, 319 Seiten; 20 €.