Eugen Bolz (1881-1945)Eugen Bolz − Staatsmann, Christ, Märtyrer

An der Domkirche Sankt Eberhard in Stuttgart wurde eine Gedenkstätte für den Politiker Eugen Bolz (1881–1945) eingeweiht, der in Plötzensee hingerichtet wurde.

In der Kirchenfassade bleibt eine Lücke zurück. (Foto: Elisabeth Perkovic)
In der Kirchenfassade bleibt eine Lücke zurück. (Foto: Elisabeth Perkovic)
Christian Hermes (links) hilft, die Büste einzusetzen. (Foto: Elisabeth Perkovic)
Christian Hermes (links) hilft, die Büste einzusetzen. (Foto: Elisabeth Perkovic)

Unerwartet war heute Verhandlung in meiner Sache. Ich wurde zum Tode verurteilt! ... Was ich gefühlt habe, kam. Erbarmungslos. Ich habe mich innerlich, religiös in Monaten darauf eingestellt.“ Am 21. Dezember 1944, nach der Verurteilung durch den nationalsozialistischen Schreckensrichter Roland Freisler, schrieb der frühere Württembergische Staatspräsident und langjährige Zentrumsabgeordnete Eugen Bolz diese Zeilen an seine Familie. Mit seiner Enthauptung am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee ging ein von tiefem Glauben wie von politischem Verantwortungsbewusstsein geprägter Lebensweg zu Ende. Nun wurde an der Domkirche St. Eberhard, der Heimatkirche von Bolz mitten in der Stuttgarter Fußgängerzone, eine Gedenkstätte für den herausragenden Glaubenszeugen errichtet, dessen Seligsprechungsprozess 2015 eröffnet wurde.

Eugen Bolz wurde am 15. Dezember 1881 in Rottenburg am Neckar geboren. Nach dem Jurastudium in Tübingen, Bonn und Berlin begann er zunächst eine Richterlaufbahn und wurde 1912 Abgeordneter der Zentrums-Partei im Deutschen Reichstag und zusätzlich 1913 im Württembergischen Landtag. Von 1919 bis 1923 war er Württembergischer Justizminister, dann Innenminister und ab 1928 Staatspräsident des Landes Württemberg. Angesichts der Erfolge der Nationalsozialisten kämpfte er politisch „für Verfassung, Recht und politische Freiheit“ und gegen eine „Staatsabsolutierung“, die für ihn „die absolute Verneinung jeder persönlichen Freiheit“ bedeutete.

Nach der Reichstagswahl und Machtübernahme durch die NSDAP verlor Bolz am 15. März 1933 sein Amt. Mit dem Ermächtigungsgesetz, das er hellsichtig als Verhängnis für Deutschland erkannte, und der Auflösung der Zentrumspartei endete seine über zwanzigjährige parlamentarische und politische Karriere. Am 19. Juni 1933 wurde er nach dem Besuch der Heiligen Messe in der Eberhardskirche durch die Politische Polizei verhört. Von den Nationalsozialisten inszenierte Ausschreitungen dienten als Vorwand, Bolz in „Schutzhaft“ zu nehmen. Ausgeschlossen aus Staatsdienst und Politik konnte er seine Haltung gegen den Unrechtsstaat in den nächsten Jahren nur theoretisch und im Kreis Gleichgesinnter festigen. In einer in dieser Zeit entstandenen Schrift formulierte Bolz dabei Grundsätze, die weit über die damalige kirchliche Lehre hinaus Prinzipien der freiheitlich- demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes wie der erneuerten Lehre vom Verhältnis von Staat und Kirche vorwegnahmen, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil später formulierte.

Ab 1941 war Bolz in regelmäßigem Austausch mit dem Juristen und früheren Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler (1884–1945) und seinem Kreis. Im Mai 1944 erklärte er sich bereit, in einer neuen Reichsregierung das Amt des Kultusministers zu übernehmen. Nach dem gescheiterten Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Eugen Bolz verhaftet und in den folgenden Monaten in Berlin unter Folter verhört, bevor ihm vor dem Volksgerichtshof der Prozess gemacht wurde. Am 21. Dezember 1944 wurde er wegen Hochverrats verurteilt: „Für immer ehrlos wird er dafür mit dem Tode bestraft.“

Nach einem Besuch an Silvester 1944, bei dem seine Frau ihm noch durch Vermittlung des Apostolischen Nuntius die Heilige Kommunion in die Todeszelle bringen konnte, schrieb Maria Bolz: „Zu unserem Staunen trat er uns sehr gefasst entgegen. Sein Wesen ist ganz vergeistigt. Er ist so innerlich geworden, dass man förmlich fühlt, er lebt ganz in Gott.“ Am 23. Januar 1945 wurde Eugen Bolz im Gefängnis Berlin-Plötzensee enthauptet, sein Leichnam verbrannt und die Asche verstreut.

Neben dem aus der Gemeinde stammenden Jesuiten Rupert Mayer (1876–1945), der 1987 seliggesprochen wurde, pflegt die katholische Mutterpfarrei Stuttgarts, City-Kirche und Konkathedrale der Diözese Rottenburg-Stuttgart, auch das Gedächtnis an Eugen Bolz. Im „Haus der Katholischen Kirche“ erinnern ein Veranstaltungssaal und eine Büste an ihn, bei der Erweiterung des Geläuts der Domkirche wurde Mayer und Bolz jeweils eine neue Glocke gewidmet. Ein sichtbarer Erinnerungsort in Verbindung mit der Kirche konnte nun gemeinsam mit dem Rottenburger Bildhauer Ralf Ehmann geschaffen werden.

Eugen Bolz war ein christlicher Politiker und ein politischer Christ. Beides war für ihn untrennbar. So findet sich die Gedenkstätte auch nicht im tiefen Inneren der Kirche, sondern an der Grenze zwischen Kirchenraum und dem öffentlichem Raum der Stuttgarter Königstraße. Dazu wurde die im Stil der Zeit um einen sauberen Neubeginn bemühte Sandsteinfassade der 1955 eingeweihten Kirche aufgebrochen. Die Steinquader „fallen“ auf die Freitreppe vor der Kirche.

Auf der Innenseite, im Vorraum der Kirche, werden auf einem Bronzerelief wichtige Lebensstationen dargestellt. In dem Wanddurchbruch zeigt eine Bronzebüste den von Gefängnis und Folter gezeichneten Eugen Bolz, wie er 1944 bei der Urteilsverkündung vor dem Volksgerichtshof fotografiert wurde. Sein klarer Blick und die Inschrift, die mit der Nische eine Kreuzform bildet, sprechen die Passanten an: „Politik ist für mich nichts anderes als praktische Religion.“ Dieses leicht gekürzte Zitat aus einer 1924 gehaltenen Rede bringt Bolz‘ Haltung als Christ und Politiker schlüssig auf den Punkt: Christen dürfen sich nach seiner Überzeugung nicht in frommes Privatleben zurückziehen, sondern sollen aus ihrem Glauben heraus „die besten Bürger“ sein und Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen.

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