Mittagskrise
Zur Besprechung des neuen Buchs von Tomáš Halík (vgl. „Fünf nach Zwölf...“ in CIG Nr. 22, S. 5)
Ich war etwas verwundert, dass Sie den Nachmittag im Titel des Buchs so biblisch gedeutet haben. Halík bezieht sich doch mindestens genauso auf C.G. Jung und seine Einteilung des Menschenlebens in Vormittag, Mittagskrise und den Nachmittag.
Laut Jung kommt der Mittagskrise besondere Bedeutung zu, da hier bisherige Selbstverständlichkeiten erschüttert werden. Sie bietet die Chance zu einer Neuausrichtung des Lebens und somit zu einem Neuaufbruch, der dann im Nachmittag, in der Zeit des reifen Erwachsenseins und des Alters, gestaltet werden kann. Alles ist daran gelegen, ob die Mittagskrise bewusst angeschaut, bewältigt und integriert wird oder ob sie verdrängt wird und der Mensch nach einem kurzen Intermezzo wieder weitermacht wie bisher.
Halík greift dieses Schema auf, um die Geschichte der Kirche und des Christentums zu deuten. Am Nachmittag in der säkularisierten Welt sieht er großartige Chancen für das Christentum. Wo sind die Kirchenführer, die sie erkennen? Große Hoffnungen – für meine Begriffe übertriebene – setzt er in Papst Franziskus. Andererseits ermutigt er vor allem die erwachsenen Christen zum Handeln. Jetzt ist die Zeit des reifen erwachsenen Christen, der auf seinen inneren Meister hört. Ein Buch, das Mut macht, den Nachmittag des Christentums mitzugestalten.
Karl Heinz Calles, Eupen/Belgien
Heilig? Vorbild!
Zur Heiligsprechung des Charles de Foucauld (vgl. CIG Nr. 20, S. 6)
Wie wäre es, wenn unsere Kirche solch großartige Menschen nur ganz bescheiden als „vorbildhaft“ oder „verehrungswürdig“ erklären würde? Denn jemanden „heiligen“ im tiefsten Sinne, das kann ja nur Gott.
Dann würde auch die seltsam anmutende Forderung nach ein oder zwei bewiesenen(!) Wundern entfallen. Und auf die Unterscheidung zwischen „selig“ und „heilig“ ließe sich letzthin damit auch verzichten.
Würde die Kirche durch eine solche Praxisänderung nicht wieder ein Stück näher in der Realität unserer Tage ankommen?
Dietmar Urban, Schwabach
Verkündigen
Zum Beitrag „Mein Predigtkater“ (vgl. CIG Nr. 22, S. 13)
„Ein Hoch auf euch …, auf alle, die bereit sind, die Hoffnung zu predigen“, ruft Pfarrerin Anna Helene Kratzert aus. Eindrücklich beschreibt sie ihren „Predigtkater“ nach großen Gottesdiensten oder wichtigen Feiertagen. Wir katholische Frauen sind davor „geschützt“, denn in unserer Kirche ist einer Frau immer noch das Weiheamt und damit die Feier der Eucharistie einschließlich Predigtdienst von der ausschließlich männlichen Amtskirche vorenthalten. Ich schreibe diesen Leserinnenbrief, um die Sensibilität für diese verletzende Ungerechtigkeit und deren tiefe, folgenschwere Wunde wachzuhalten.
Auch frage ich mich: Wo bleibt der hörbare Protest der Priester, die es nicht mehr hinnehmen, dass Frauen die Gleichberechtigung verwehrt wird und damit Ausdrucksmöglichkeiten göttlicher Geistkraft willkürlich beschnitten werden?
Allen Priestern, die bereits den Mut haben, sich für die Gleichberechtigung der Frauen in der katholischen Kirche einzusetzen, danke ich für ihre Sensibilität und Solidarität.
Margit Böhmer-Böckeler, Allersberg
Geistesgaben
Zum Interview über den Heiligen Geist (vgl. „Auf einmal war ein Wispern in der Kirche“ in CIG Nr. 23, S. 17)
Mir hilft zum Verständnis des Heiligen Geistes die Rede von seinen „sieben Gaben“ (vgl. Jes 11,2): Weisheit, Einsicht, Rat, Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit, Gottesfurcht. Dahinter verbergen sich alle Naturgesetze, die Gott vor der Erschaffung der Erde gestiftet hat: Schwerkraft, Massenträgheit, Zeit, Optik, Atomphysik, Elektrotechnik, Chemie, Thermodynamik, Mathematik, Gentechnik, Medizin, Psychologie usw. Auch wenn das in der Genesis natürlich so nicht ausdrücklich steht: Nach diesen Gesetzen funktioniert unsere Erde von Beginn an bis heute und bis in ferne Zukunft. Und es gibt noch viele göttliche (Natur-)Gesetze, die wir noch nicht kennen und verstehen gelernt haben. Ergo: Gott ist viel größer (und weiser), als wir es uns vorstellen können.
Helmut Kern, Nördlingen