Jesus auf dem Weg nach Jerusalem (Lk 9,51-62)Metaphysisch obdachlos?

Lebensweisheiten begegnen uns überall – sogar in Werbeslogans.

Wohnst du noch oder lebst du schon?“ – so bewirbt eine Möbelkette ihre Produktpalette. Diese und ähnliche Sprüche kennen die meisten. Sie haben sich in vielen Köpfen regelrecht festgesetzt. Warum das so ist? Werbebotschaften wollen Menschen bei ihren tiefsten Gefühlen packen. Der Slogan eines Fruchtgummi-Herstellers, der mit seinem Geschäft einst in einer Hinterhof-Waschküche angefangen hat, funktioniert seit fast 100 Jahren. Warum? Er wirbt damit, Kinder glücklich zu machen.

Aber worin besteht der Unterschied zwischen „Wohnen“ und „Leben“? Ich glaube, wir wissen intuitiv sofort, was gemeint ist: Menschen sehnen sich danach, nicht bloß ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern viel elementarer – nämlich metaphysisch – verankert und beheimatet zu sein. Wahrscheinlich ist den Werbeprofis, die für IKEA den erfolgreichsten Slogan der letzten zwei Jahrzehnte kreiert haben, gar nicht bewusst, dass sie damit – weit über den Zeitgeist hinaus – in visionärer Weise tiefere Schichten des Menschseins berühren. Denn dass ihre „Botschaft“ verstanden wird, beweist der Umstand, dass sie längst im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen ist und selbst für Hochzeitsanzeigen benutzt wird.

Die Boten Jesu, erfahren wir im Sonntagsevangelium, „kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war. Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt?“ (Lk 9,52ff.)

Tatsächlich verschärft Jesus den Gegensatz von „Wohnen“ und „Leben“. Im Kontrast zu den beiden enthusiastischen Jüngern, die darauf brennen, elementare irdische Kräfte zu entfesseln, argumentiert ihr Meister nicht „bodenständig“ und wischt alte Gegensätze souverän beiseite. „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (9,58). Einem, der ihm nachfolgen will, schreibt Jesus damit ins Stammbuch: Wohlstand ist keine Garantie dafür, die Leere des Herzens zu überwinden. Dass trotz eines super sorglos eingerichteten Daseins irgendwann ein Gefühl von Überdruss und horror vacui um sich greift, ist eine Erfahrung vieler Wohlstandsgesellschaften. Könnte da nicht ab und zu ein wenig Feuer ganz nützlich sein? Treffend hat der Tscheche Milan Machovec etwas vom Wesen des Glaubens auf den Punkt gebracht. Aus der Perspektive eines Nicht-Christen schreibt er in seinem Buch Jesus für Atheisten: „Die Lehre Jesu setzte die Welt in Brand nicht wegen irgendeiner Überlegenheit des theoretischen Programms, sondern weil er selbst identisch war mit diesem Programm.“

Ich glaube: Das Konzept „Schöner Wohnen“ kommt einem sinnerfüllten, an Jesus Christus orientierten Leben oft in die Quere. Man kann tolle Möbel haben, aber trotzdem unbehaust sein. Dem Nächsten ein physisches und – soweit das in unseren Kräften steht – auch metaphysisches Obdach zu bieten, bleibt eine tägliche Herausforderung.

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