Die schönste Zeit liegt hinter uns.“ Dieser Satz ist in den letzten Wochen oft zu hören. Überwiegend Angehörige der älteren Generation sprechen ihn mit Wehmut aus. Denn sie sind im prosperierenden Nachkriegsdeutschland aufgewachsen, haben ihr Leben in Freiheit und Frieden genossen mit allenfalls gelegentlichen Störfeuern aus der meist fernen Weltpolitik und düsteren Vorahnungen aus dem Finanzsektor.
Das 21. Jahrhundert brachte Terror, Krieg und Corona. Die Prognosen, dass eine Epoche der Pandemien und der Gewalt anbrechen werde, scheinen sich zu bestätigen. Unser Sicherheitsgefühl, das uns wie ein Kokon behütet hat, ist erschüttert. Das Nachdenken über Leiden und Tod, das wir lieber an das Ende eines hoffentlich langen und erfüllten Lebens verbannt haben, drängt sich in den Alltag. Wegschauen gelingt nicht mehr. Zukunftsängste quälen die Seele.
Was tun? Versuchen, den berühmten kühlen Kopf zu bewahren! Erkennen, was wir beeinflussen können und was nicht, gewissermaßen eine „Unterscheidung der Geister“ pflegen. Sie ist wichtig, um die Lebensenergie auf das zu konzentrieren, was wir in der Hand haben. Zu allem anderen müssen wir eine Einstellung finden, einen modus vivendi. Das ist schwer genug. Aber gesünder als Resignation oder Zynismus.
Und vielleicht bieten die „weniger schönen Zeiten“ sogar ungeahnte Chancen, nämlich wieder als christliche Gemeinschaft zu handeln, sichtbar zu werden und so einen hoffnungsvollen Kontrapunkt zu dem verheerenden Bild zu setzen, das die öffentliche Wahrnehmung der katholischen Kirche in Deutschland derzeit prägt. Und unter dem vor allem die Gläubigen leiden, die sich ihr Leben lang bemüht haben, christliche Werte zu leben. Auch sie sind Kirche.
Als sich in der Frühzeit des Christentums mehr und mehr Menschen unter Gefahr für Leib und Gut zum Glauben an Jesus Christus bekehrten, gehörte die caritas zu den entscheidenden Konversionsgründen. Denn die christliche caritas, welche jüdische Traditionen weiterführte, machte keinen Unterschied zwischen Hoch und Niedrig, Mann und Frau, Einheimisch oder Fremd, Freund oder Feind. Die christliche Wohltätigkeit, erst später institutionalisiert, war so attraktiv, dass Kaiser Julian Apostata (361–363) dieses Erfolgskonzept kopieren wollte. Er forderte von seinen paganen („heidnischen“) Priestern, ein eigenes Wohlfahrtsprogramm zu entwickeln, um mit den Christen konkurrieren zu können.
Jesus hat den Seinen spirituelle Schätze hinterlassen, die wie die caritas ihre Ausstrahlung nicht verloren haben. Aber ab und an ist es nötig, dieses Wissen zu beleben und mit dem guten Pfund zu wuchern, diskret oder öffentlichkeitswirksam. Das hilft nicht nur den Armen, sondern auch den auseinanderdriftenden Christen.
Gute und schlechte Zeiten kommen und gehen. Was zählt, ist die Art und Weise, wie wir sie gestalten. So können selbst dunkle Wolken persönliches Glücksempfinden und Zufriedenheit nicht verhindern. Und vielleicht ist eine Gelassenheit, die dem Glauben entspringt, und die gegenseitige Fürsorge auf Dauer die schärfste Waffe gegen die Unbill der Welt.