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Kann man der Nachrichtenmüdigkeit entgegenwirken?

Presseagenturen versendeten neulich die Nachricht, die Bevölkerung sei „nachrichtenmüde“ geworden.

Nur noch jeder zweite Bürger interessiert sich laut einer Umfrage für das aktuelle Geschehen. Vor allem junge Leute versuchen, den täglich auf sie einprasselnden Meldungen „aus dem Weg zu gehen“. Die News verbreiteten häufig nur schlechte Stimmung. Dabei könne der Einzelne an den Ereignissen doch eh nichts ändern. Das erklärt unter anderem, warum die Berichterstattung über den Ukrainekrieg in den Hintergrund getreten ist. Wer – außer Militärexperten – will schon genau wissen, wo was wie bombardiert wurde und wer welche Geländegewinne erzielt oder nicht erzielt hat. Außerdem schwingt in den hiesigen Medien viel Propaganda – verständlicherweise zugunsten der ukrainischen Seite – mit. Aus russischer Perspektive erfährt man nichts wirklich. Was ist Wahrheit, was Lüge? Und was sagt das Wissen von heute schon darüber aus, wie, wann und ob der Schrecken enden wird?

Ähnlich ermüden weitere Großthemen das Volk – ob Energiekrise, Klimakrise, Coronakrise oder eine sich womöglich anbahnende Wirtschaftskrise. Nichts Genaues weiß man nicht. Und wenn es so weit ist, kann man sich immer noch sorgen. Den auflebenden Phlegmatismus mag man als unmoralisch, gar demokratiegefährdend brandmarken. Aber der gesunde Menschenverstand weiß, dass die emotionalen Ressourcen ebenfalls begrenzt sind. Dauererregung übersteigt das der Seele erträgliche Maß. Wie überhitzte technische Geräte schaltet der Geist ab, um Überlastung zu entgehen. Im günstigsten Fall verschafft das Freiraum, sich wieder Innerlichem zuzuwenden: etwa den Fragen nach dem wahren Lebenssinn. Die monastische Tradition kennt regelmäßig wiederkehrende Zeiten, in denen man sich von allem Äußeren, von jedweder außengeleiteten Kommunikation freimacht, um kontemplativ zur Mitte zu finden, zu dem, was insbesondere für das religiöse Leben, für die Kommunikation mit dem Heiligen, mit Gott und somit fürs Seelenheil entscheidend ist. Kommunikationsaskese, um einer reicheren Kommunikation Zeiten und Räume zu öffnen. Derartige „Weltfremdheit“ hilft, befreit, um innovativ auf das zuzugehen, was Welt ist.

Im Kirchenleben meinen Führungsverantwortliche, ob Kleriker oder Laien, mit möglichst viel Kommunikation, sprich: Öffentlichkeitsarbeit, die Leute wieder dem christlichen Glauben näherzubringen. Dabei fördern die aufgeblähten PR-Stabsstellen mit ihren meist trivialen Botschaften eher das genaue Gegenteil: Das Volk stumpft ab. Das geschieht ähnlich bei den in Schleifen wiederholten Meldungen über Kindesmissbrauch und Vertuschen. Barbarisch, schrecklich! Wir wissen es doch! Die auf die katholische Kirche fixierte Berichterstattung sorgt dafür, dass alle anderen mit ihren selben schweren Verbrechen in Deckung gehen können. Kirchlich maßlos überschätzt wird das belehrende Wort, ob per Predigt oder als Moral-Statement in weltlichen Medien. Der Wiener Theologe Paul Michael Zulehner bemängelte einst den religiösen „Wortdurchfall“. Nachrichtenmüdigkeit könnte auch da helfen, Vergessenes hervorzuholen: das Schweigen, die Stille einer unspektakulären Liturgie, Sakramentales, das nicht auf wortreiche Weisungen setzt, sondern auf die Kraft der Symbole für mystisches Feiern. Weniger sagt mehr, etwa eine stille Eucharistie, einst als stille Messe von Reformern verpönt, jetzt von neuen Reformern ersehnt. Kirchliches Bußschweigen, ein sich selbst auferlegtes „Predigtverbot“! Keine News. Die bischöflichen Pressestellen schweigen. Sogar der Papst schweigt. Wie herrlich!

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