Wenn ich bete, erweitere ich meinen Horizont. Vorher konnte ich nur so weit sehen, wie mein Blick, meine Erfahrung, meine Phantasie reichen. Sobald ich mich Gott überlasse, gehen die Möglichkeiten ins Unendliche. Ich kann alles, was micht bewegt, teilen; Gott mit-teilen. Solange ich glauben kann, bin ich gewiss: Gott hört mich. Verfalle ich dem Zweifel, wird das Gebet zum Selbstgespräch. Das kann auch einmal sinnvoll sein, ist aber etwas anderes. Wenn ich telefoniere und ich vom anderen Ende nichts mehr höre, frage ich auch: Bist du noch da? Wenn eine Reaktion ausbleibt, lege ich auf.
Das liturgische Beten tut mir wohl, ob Stundengebet oder Gebet im Gottesdienst. Vor allem aber der spontane Austausch mit Gott bildet den Pfeiler meines Gebetslebens. Im Supermarkt, auf dem Klo, in der hitzigen Diskussion, beim Autofahren, beim Sex, vor der Tagesschau am Fernsehen: Ich möchte immer online sein, alles, was ich erlebe, mit Gott in Kontakt bringen, es muss gar nicht mit Worten sein. Dank und Hingabe, Klage, Sehnsucht … alles darf sein.
Georg Schwikart in: „Requiem für meinen Glauben“ (Verlag Echter, Würzburg 2022)