Und schon ist der Italienurlaub wieder vorbei! Zwei Wochen voller Familien- und Lesezeit, Kirchenbesichtigungen und Kontemplation. Im Vorfeld hatte ich meinem Mann versprochen, mich in dieser Zeit weder mit dem Thema Missbrauch noch mit kirchlichen Krisen zu befassen, was dieser mit einer Mischung aus Erleichterung und Skepsis zur Kenntnis genommen hatte. Doch kaum waren wir auf die Autobahn abgebogen, erreichten mich die ersten Enthüllungsnachrichten über die strategische Instrumentalisierung des Betroffenenbeirats durch Kardinal Woelki. Den restlichen Urlaub sollten die Schlagwörter Woelki, Köln, Ouellet und Missbrauch meine Nachrichtenseiten dominieren. Ich muss zugeben, dass ich mein Versprechen nicht ganz eingehalten habe, denn zu groß waren mein journalistisches Interesse und meine Solidarität mit den Betroffenen. Ich habe mich jedoch immer nur kurz informiert und dann schnell wieder weitergeurlaubt – ahnte ich doch, dass ich mich nach meiner Auszeit wieder vollständig auf den neuesten (düsteren) Stand in Sachen Missbrauchs- und Kirchenkrise bringen würde:
1 | Köln I. Zahlreiche Pfarrer, Gemeindereferenten und andere Funktionsträger des Erzbistums distanzieren sich in einer Erklärung von Kardinal Woelki und fordern einen „wirklichen Neuanfang“. Die Krise im Erzbistum habe nun „einen nicht vorstellbaren Tiefpunkt erreicht“.
2 | Berlin. Irme Stetter-Karp (Präsidentin des ZdK) kritisiert das fehlende Handeln Roms angesichts der Kölner Krise: „Ich finde es bedenklich, dass Rom auf die Lage in Köln noch immer abwartend reagiert.“ Hier zeige sich erneut, „wie wichtig es ist, dass wir in Deutschland auf einem Synodalen Weg sind, der neue Überlegungen anstellt, wie Macht in der Kirche zukünftig geteilt und kontrolliert werden kann“.
3 | Köln II. Das Landgericht teilt mit, dass Kardinal Woelki juristisch gegen die Bild und den Kirchenrechtler Thomas Schüller vorgeht, der Woelki in der Causa Winfried Pilz Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen hatte.
4 | Idrosee. Bei meiner Abendkontemplation gerate ich bei der Lektüre der Tageslesung (Ez 34,1–11) wiederholt ins Stocken: „Weh den Hirten Israels, die sich selbst geweidet haben! Müssen die Hirten nicht die Schafe weiden? … Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt, das Kranke habt ihr nicht geheilt, das Verletzte habt ihr nicht verbunden … Siehe, nun gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe aus ihrer Hand zurück. Ich mache dem Weiden der Schafe ein Ende. Die Hirten sollen nicht länger sich selbst weiden: Ich rette meine Schafe aus ihrem Rachen, sie sollen nicht länger ihr Fraß sein.“ Welch passende Lesung angesichts der Vorgänge in Köln (und anderswo)!
5 | Rom I. Eine Frau aus Kanada wirft Kardinal Ouellet „nicht einvernehmliche Berührungen sexueller Art“ vor. Der Kardinal weist die Anschuldigungen wenig später als falsch zurück.
6 | Rom II. Papst Franziskus entscheidet, im Fall Ouellet vorerst keine kirchenrechtliche Untersuchung einzuleiten. Verschiedene Medien kritisieren, dass der mit der Voruntersuchung betraute Pater Servais kein Kirchenrechtler ist und den Beschuldigten offenbar seit langem kannte. Was für ein hochproblematisches Signal!
7 | Stuttgart. „Und? Erholung schon zunichtegemacht?“, fragt mein Mann mit Blick auf meinen Laptop. „Jein“, antworte ich. „Aber jetzt habe ich wieder die Kraft, die Nachrichten auszuhalten und vor allem weiter dranzubleiben.“