In der Einstellung zu Wunden sind sich Welt und Kirche einig. Wunden sind im Normalfall kein Thema, man redet nicht gern über sie. Der Erfolgreiche zählt, der Makellose ist gefragt, und es schickt sich nicht, zu weinen und zu klagen. Die Kunst des Überspielens ist weitverbreitet.
Nun werden Sie sagen: In unserer Kirche ist das aber anders. Wirklich? Der Gekreuzigte mit seinen Wunden, ein Verachteter, musste genauso Spott und Fingerzeige aushalten wie heute Menschen, von denen zum Beispiel eine Gemeinde weiß, dass es in ihrem Leben Wunden gibt. Noch heute habe ich das Wort eines Pfarrgemeinderates im Ohr, der meinte: „Die, die ist doch geschieden, die soll den Mund halten in unserer Kirche…“
Wunden sind ein schwieriges Thema und es kommt nicht von ungefähr, dass Thomas als „Ungläubiger“ gilt. Doch gerade dieser Jünger macht da nicht mehr mit. Thomas will Wunden sehen und berühren. Von Wundern hält er nicht viel und vom Hinausreden auch nicht. Mit seinen eigenen Wunden ist er auf der Suche nach dem, von dem später im ersten Petrusbrief gesagt werden wird: „Durch seine Wunden seid ihr geheilt.“
WERNER SCHRÜFER
in: „Das wäre doch nicht nötig gewesen“
(Verlag F. Pustet, Regensburg 2022)