Die spektakuläre Transplantation eines Schweineherzens auf einen Menschen ist ohne Zweifel ein Schritt in die medizinische Zukunft und erinnert an das lebensrettende Potential dieser neuzeitlichen Technik – aber auch an ihr Dilemma. Prinzipiell hatten die Kirchen in Deutschland seit dem gemeinsamen Wort aus den 1990er Jahren „Gott ist ein Freund des Lebens“ die Technik der Organtransplantation begrüßt und Organspende als ein Zeichen besonderer Nächstenliebe bezeichnet, die Leben und Gesundheit von Menschen in großer Not retten und bewahren kann. Die Organknappheit in Deutschland – rund 10000 Menschen stehen auf der Warteliste der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) für ein lebensrettendes Organ bei einer Spendenrate von deutlich unter 1000 – könnte durch diese neue Technik der Xenotransplantation zumindest entschärft und das erhebliche Dilemma der Debatte um den Hirntod in der Organspende jedenfalls ausgeblendet werden. Ist Xenotransplantation also ein realer Weg in die Zukunft?
Der Deutsche Ethikrat hatte sich bereits im Jahr 2011 in einer Stellungnahme mit dem Thema „Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung“ beschäftigt. So betrachte die Wissenschaft die Mischung von menschlichen und tierischen Zellen oder Geweben bereits seit Jahrzehnten, etwa in der Forschung zum Gewebe- oder Organersatz beim Menschen durch tierisches Gewebe. „Sind wir dabei, die bislang scheinbar so klare Grenze zwischen Mensch und Tier zu verwischen? Stellen sich durch die Erzeugung von Mensch-Tier-Mischwesen grundsätzliche Fragen an unser Menschenverständnis?“, lauteten die damaligen Fragen der bioethischen Diskussion. Nicht nur Fragen der Humanethik, sondern auch der Tierethik treten bei der Gewinnung und Transplantation von Tierorganen auf den Menschen in den Fokus, zumal die Menschheit zwar den Verbrauch von Tieren in der Ernährung seit Jahrtausenden als selbstverständlich, inzwischen jedoch mit wachsender Sensibilität sieht.
Das Dilemma von Leben erhalten und sterben lassen
Viele Menschen, die heute eine Patientenverfügung verfassen, lehnen künstliche lebensverlängernde Maßnahmen ab. Ein „Leben an Schläuchen“ – wie sie es nennen – erscheint ihnen erschreckend. Trotz aller positiven und segensreichen Entwicklungen im Bereich der Palliativmedizin und der Hospizidee. Ist hier – die Frage ist keineswegs zynisch – eine aufwändige intensivmedizinische Xenotransplantation, die nach gegenwärtiger Prognose eine sehr begrenzte Lebensverlängerung von etwa zwei Jahren bringt, gerechtfertigt – sinnvoll – segensreich?
Natürlich ist jeder Augenblick des Lebens unbezahlbar und wertvoll. Aber auch sterben dürfen kann ein Segen sein! Leben und Sterben gehören zusammen in einen Sinnkontext. Vielleicht lohnt ein Blick auf das Ganze: Ars moriendi lautet eine Grundeinstellung der mittelalterlichen Theologie, die die Stunde des Sterbens als die wichtigste Stunde des Lebens sieht. „Leben und leben lassen“ lautet auch eine bayerische Weisheit, die im Blick auf das Herz ein neues Nachdenken braucht.