Münster: Aussenministertreffen ohne FriedenskreuzGedankenloser Aktionismus

Die Entfernung des Kreuzes aus dem Rats- und Friedenssaal in Münster war eine vom Auswärtigen Amt leichtfertig vertane Chance kultureller Friedenspolitik.

Das Kreuz im Friedenssaal des Münsteraner Rathauses stammt aus dem Jahr 1540. Bevor dort jetzt die G7-Außenminister tagten, war es auf Bitte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes abgehängt worden.
Das Kreuz im Friedenssaal des Münsteraner Rathauses stammt aus dem Jahr 1540. Bevor dort jetzt die G7-Außenminister tagten, war es auf Bitte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes abgehängt worden.

Den eigentlichen Skandal an der Entfernung des historischen Kreuzes aus dem Rats- und Friedenssaal der Stadt Münster sehe ich nicht in der Verachtung des christlichen Kreuzes, sondern in der rein performativ-spektakulären Nutzung hoch symbolischer Räume. Im Sommer war es die Kirche auf Sylt, die zur Kulisse für ein am christlichen Eheverständnis desinteressiertes Paar wurde. Nun der Raum in Münster, in dem 1648 einer der entscheidenden Friedensschlüsse in der Geschichte Europas feierlich beschworen wurde. Das Kreuz vor der hölzernen Schrankwand im Ratssaal bringt wie kein anderer Gegenstand die geistig-kulturelle Tiefe der europäischen Friedensidee und Friedensverpflichtung zum Ausdruck.

Die gute Wahl des Ortes durch die Außenministerin wurde durch ihr Haus unterlaufen, ja in ihr Gegenteil verkehrt. Statt Verständnis für die historischen wie gegenwärtigen Bedingungen eines gerechten Friedens und dessen universeller Grundlage zu fördern, erzeugte die Entfernung des Kreuzes Streit und Irritation – Irritation wohl nicht zuletzt unter den auswärtigen Teilnehmern, auch und gerade unter denen, die nicht dem christlichen Kulturkreis angehören.

Frau Baerbock mag erst im Nachhinein von der Aktion erfahren haben. Verantwortlich ist aber der Geist, der mit ihr ins Außenministerium einzog. Denn ein solch reflexartiger, gedankenlos rückwärtsgewandter Aktionismus lag diesem bislang fern, jedenfalls demjenigen der Bundesrepublik. Ihren Aktivisten ist offensichtlich entgangen, dass im westlichen, lateinischen Christentum längst nicht mehr ein Kreuz den Armeen vorangetragen und ein Krieg religiös legitimiert wird – wie leider gegenwärtig noch bei Putins Angriffskrieg in der Ukraine durch die russisch-orthodoxe Kirche.

Kein anderer Ort als der Münsteraner Ratssaal ist besser geeignet, zu veranschaulichen und zu belegen, wie das christliche Kreuz während des großen europäischen Religions- und Staatenkrieges in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von einem Symbol der Feindschaft und der Gewaltbereitschaft zu einem Symbol des Friedens und der staatlich-gesellschaftlichen wie individuellen Versöhnung wurde – vom Zeichen der Abgrenzung und des Kampfeswillens zum Zeichen der Bereitschaft zu politisch-rechtlicher Abstimmung innerhalb der Staaten wie zwischen ihnen. Das war fortan Leitlinie christlich geprägter westeuropäischer Staatenpolitik und ist es bis heute geblieben, ungeachtet aller realhistorischen Verfehlungen. Grundlage des im Münsteraner Ratssaal geschlossenen menschlichen Friedens sollte – so der Vertragstext – der Frieden zwischen Gott und den Menschen sein, symbolisiert durch die Noah von Gott als Zeichen der Versöhnung gesandte Friedenstaube. Auch das ist angesichts der heute fundamental bedrohten Natur nicht weniger aktuell als 1648 im Moment des Westfälischen Friedens.

Schade: Mit der Entfernung des Kreuzes hat Außenministerin Baerbock die Chance vertan, den von ihr so gut und symbolisch gewählten Ort des internationalen Außenministertreffens zu nutzen, um den dort vor allem durch das Kreuz repräsentierten Geist des christlichen und damit zugleich universellen Friedens lebendig werden zu lassen, um die Allianz für einen dauerhaft sicheren und gerechten Frieden in der Ukraine wie in Europa allgemein zu festigen.

Indem sie sich der Entfernung des Kreuzes nicht mit historisch sachgerechten Argumenten widersetzten, haben die vor Ort Verantwortlichen den Anspruch Münsters als in die Zukunft wirkende Friedensstadt fahrlässig veräußert – zugunsten einer nur plakativ repräsentativen Nutzung.

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