Ich liebe das herbstliche Fallen der Blätter. Die vollen Kronen lichten sich, und sichtbar wird ihre eigentliche Gestalt. Der Stamm, die Äste, die Zweige. Das Bild wird härter als in der sommerlichen Fülle, klarer, der Baum selbst wird erkennbar.
Immer schon hat man mit dem Fallen der Blätter heimliche Melancholie verbunden. Todesahnung. Aber ich sehe gerne das Spiel des Fallens.
Einziehen der Kräfte, Verwandlung – das ist kein Tod. Denn am Ende, nicht vorstellbar für das fallende Blatt, wird unter dem Schnee das neue Laub sich bilden, die Knospen, denen der Herbst bereits gehörte.
Schon der Herbst des Lebens gehört dem neuen Leben, auf das alles zuläuft, dem Leben, das Gott in uns anfangen will…
Solange wir leben, arbeitet Gott an uns. Und wo Gott wirkt, wächst immer Neues, Lebenskräftiges, Heilendes und Erlösendes. So auch in uns: der neue Mensch aus Gott.
Jörg Zink in: „Ich werde gerne alt. Wünsche für die goldenen Jahre“ (Verlag Herder, Freiburg Neuausgabe 2022; am 22. November wäre der evangelische Pfarrer und Autor 100 Jahre alt geworden)