In alter Tradition nehmen unsere Kinder auch in diesem Jahr wieder am Krippenspiel teil. Jeden Mittwochnachmittag im Advent lade ich den Nachwuchs in das „Mama-Taxi“ und kutschiere ihn zu den Proben in unserer Kirche. Bedauerlicherweise muss ich die Wartezeit in der Regel für Weihnachtseinkäufe nutzen, aber in der letzten Woche überwog meine Neugier und ich setzte mich in eine der Kirchenbänke, um das Geschehen im Altarraum mitverfolgen zu können: den Auftritt des Herolds, die strapaziöse Reise der werdenden Eltern, die abweisenden Wirte und schließlich die heilbringende Geburt des göttlichen Kindes im Stall.
Während ich so dasaß und berührt das schauspielerische Treiben der Kleinen verfolgte, dachte ich mir: Gibt es ein besseres Zugehen auf Weihnachten als die Mitwirkung in einem Krippenspiel? Schritt für Schritt verinnerlichen die Kinder die Texte der Weihnachtsgeschichte, spielen immer wieder die Handlung durch, werden zunehmend selbst Teil des Geschehens, steigern ihre Vorfreude und Aufregung – bis schließlich alles am Heiligen Abend mit der großen Aufführung seinen feierlichen Höhepunkt findet.
Indes hetzen wir Erwachsene von einer Einkaufstour zur nächsten Weihnachtsfeier, stellen mit Überraschung fest, dass die Adventswochen wieder viel zu schnell, zu hastig und zu besinnungslos vorübergezogen sind, und haben am Heiligen Abend Mühe, in den Weihnachts-Modus zu schalten. Würde nicht auch uns im Advent eine regelmäßige intensive Auseinandersetzung mit der Weihnachtsgeschichte und deren anschließende feierliche Inszenierung in einem Gottesdienst guttun, um uns stärker an das Geschehen in Bethlehem und das Wunder der Menschwerdung heranzuführen?
Tatsächlich haben solche Reenactments, bei denen bedeutsame Ereignisse „wiederaufgeführt“ werden, im Christentum eine lange Tradition: Der Ursprung unserer heutigen Krippendarstellungen und -spiele liegt bei einer Aufführung der Weihnachtsgeschichte in Greccio im Jahr 1223 durch Franz von Assisi. Um den Mitfeiernden ein Nacherleben von Christi Geburt mit allen Sinnen zu ermöglichen, verwandelte er eine Grotte mit Stroh, Ochs und Esel in einen Stall und ein junges Paar mit einem Neugeborenen in die Heilige Familie. Die Anwesenden waren so ergriffen und begeistert von dieser Erfahrung, dass diese Krippe von da an die Welt eroberte. Etwa zur selben Zeit entstand die Tradition der Osterspiele, in denen das Auferstehungsgeschehen nachgespielt wurde. Ab dem 15. Jahrhundert erwuchsen daraus die Passionsspiele, bei denen sich bis heute unzählige Menschen von der Leidensgeschichte Jesu erschüttern lassen.
Aber wäre es angesichts unserer düsteren Zeiten nicht segens- und hilfreich, mittels eines Reenactments nicht nur das Leiden und Sterben, sondern gerade die freudvolle Geburt Jesu intensiver mitzuerleben? Natürlich will ich auf keinen Fall unseren Kindern das Krippenspiel streitig machen, aber ich möchte uns Erwachsene ermutigen, im Advent mehr „wie die Kinder“ zu werden, sich innerlich wie äußerlich den Geschehnissen in Bethlehem anzunähern und vielleicht selbst einmal die Inszenierung der Weihnachtsgeschichte oder die Mitwirkung in einer solchen zu wagen – auf dass das Wunder der Menschwerdung Gottes auch für uns noch unmittelbarer und lebendiger und sein heilvolles Handeln im Hier und Jetzt erneut Wirklichkeit werden kann.